Ich gehöre zu einer mittelgroßen SELK-Gemeinde. Aus dieser Gemeinde möchte ich ein wenig berichten, wie sie so tickt und was sie so umtreibt. Dazu ein kleines Beispiel.
Am Sonntag Palmarum gab es einen anders gestalteten Gottesdienst, in dem drei Säulen des Glaubens Thema waren: Gottes Wort, Gebet und Gemeinschaft. Zu letzterem gab es im Vorfeld eine Befragung unter den Gemeindegliedern, die dann im Gottesdienst verlesen wurden. Da wurde deutlich, wie wichtig und wie positiv die Gemeinschaft in der Gemeinde empfunden wird.
Es handelt sich um eine sehr aktive Gemeinde, die gerne auch größere Projekte in Angriff nimmt. So steht ein nächstes Event schon in den Startlöchern. Viele Aktivitäten gehen von Gemeindegliedern aus, auch von Frauen, wie z.B. der oben genannte Gottesdienst.
In ihren Vakanzzeiten hat die Gemeinde gelernt, auch ohne Pastor zu funktionieren und manches Mal waren gerade die Vakanzzeiten, Zeiten des besonderen Zusammenhalts. Die Coronazeit war auch eine Vakanzzeit. Vielleicht war das ein Glück. Es gab keine Auseinandersetzungen um Maßnahmen, sondern es haben sich besondere und neue Formen des Zusammenhalts entwickelt, die teilweise bis heute andauern.
Die Gemeinde ist froh, inzwischen einen guten Hirten (Pastor) zu haben und wünscht sich das auch für die Zukunft. Sie wünscht sich keinen Pfarrer, der einen Kleiderschrank voller Gewänder mitbringt, sondern einen Pastor oder eine Pastorin, der oder die in der Gemeinde und mit der Gemeinde lebt, der oder die teamfähig sind.
Dass eine Frau in dieser Gemeinde irgendeine Funktion nicht ausüben könnte, weil sie eine Frau ist, ist schier nicht vorstellbar. Auch in der Frage der Frauenordination ist die Haltung der Gemeinde eindeutig. Über 80% der Gemeindeglieder können sich vorstellen, eine Frau in das leitende Hirtenamt zu berufen.
Auf der anderen Seite sieht diese Gemeinde, wie sich in ihrer Kirche eine Art Rückwärtsbewegung breit macht, nicht wenig beeinflusst durch fundamentalistische Tendenzen aus den USA. In Bezug auf die Herausforderungen der demographischen Entwicklung in der Kirche brauchen wir ganz viele neue Herangehensweisen und Ideen und sollten nicht 50% unserer Möglichkeiten liegen lassen. Dass es da für einen Teil der Pfarrerschaft theologische Hinderungsgründe gibt, ist natürlich bekannt. Aber selbst wenn die Frauenordination nicht möglich sein sollte, müssen Alternativen umso mehr verfolgt werden. Eine fundamentalistische Einstellung, die sich auch auf die Geschlechterfrage auswirkt, findet in vielen Gemeinden der SELK keine Unterstützung. Hier entfernt sich die SELK in Teilen zusehends von vielen ihrer Gemeinden. Darum gibt es auch ein gewisses Befremden darüber, dass der ILC (Internationaler Rat Lutherischer Kirchen) in jüngster Zeit Kirchen, die zu einem anderen Ergebnis in der Frage der Frauenordination kommen, unmittelbar ausschließt (Australien, Japan).
Wenn die Pfarrer im Juni auf dem APK über die Frage der Frauenordination entscheiden, dann sollten sie auch ihre Gemeinden im Blick haben.
Nun mag man sich fragen, um welche Gemeinde handelt es sich denn eigentlich, die hier beschrieben wird. Da will ich jetzt die Lösung verraten: Mein Name ist Hermann Borchers und ich gehöre zur Pella-Gemeinde Farven. Aber das ist eigentlich nicht wichtig, da es viele Gemeinden in der SELK gibt, die ähnlich ticken.
Hermann Borchers
(09.05.2025)
Beitragsbild erstellt von der Redaktion mit Hilfe der Midjourney-KI.

Welch ein wirklich schöner und positiver Beitrag!
Es scheint „das allgemeine Priestertum der Gläubigen“ 1.Petr.2,9 ist hier Praxis.
Nicht noch nur ein biblischer Text 😊
Ich stimme der Aussage – „Wenn die Pfarrer im Juni auf dem APK über die Frage der Frauenordination entscheiden, dann sollten sie auch ihre Gemeinden im Blick haben.“ – voll zu.
Ich wünsche mir dass die Entscheidung nicht von den fundamentalistischen Tendenzen aus den USA bzw. Angst vor dem Ausschluss durch die ILC bestimmt wird.
Lieber Hr. Borchers, ich danke Ihnen herzlich für Ihren Beitrag, der das Geschehen in der SELK mal aus der Perspektive „von unten“ – nämlich, aus der Gemeindeperspektive beleuchtet. Es freut mich, von soviel Kreativität und Offenheit zu lesen. Ich wünsche der Pella-Gemeinde weiter Gottes Segen und seinen Heiligen Geist, und ich werde dafür beten.
Nicht die SELK entfernt sich von einem Teil ihrer Gemeinden, sondern ein Teil der SELK-Gemeinden entfernt sich von der Grundordnung der SELK, die weiterhin die kirchenrechtliche Grundlage für die ganze Kirche ist und in der Frage der Frauenordination eine klare Lehrposition enthält.