Am Ende zieht es in der Sixtinischen Kapelle, denn ein Fenster ist kaputt. Oder ist es der Geist Gottes, der da hineinweht? Inspiriert von dieser Luftveränderung schreiben die Kardinäle den Namen ihres Kandidaten unter die vorgedruckten Worte „Eligo in summum pontificem …“ auf den Wahlzetteln: „Ich wähle zum obersten Brückenbauer …“. Der Film „Konklave“ von Regisseur Edward Berger aus dem Jahr 2024, der kürzlich mit einem Oscar für das beste adaptierte Drehbuch ausgezeichnet wurde, handelt von einer Papstwahl, wie sie in unserer Zeit stattfinden könnte. Es ist nicht der erste Film über dieses traditionsreiche Besetzungsverfahren, aber in seiner Eindringlichkeit und Aktualität ist er wahrhaft meisterhaft – und gerade für SELKis sehr sehenswert.
Nach dem plötzlichen Tod des Papstes ist Kardinaldekan Lawrence (gespielt von Ralph Fiennes), der Vorsitzende des Kardinalskollegiums, für die Organisation des Konklave zuständig. Zu den Favoriten für die Amtsnachfolge gehören der konservative nigerianische Kardinal Adeyemi, der liberale Italiener Bellini, der eher konservative Kanadier Tremblay und der Hardliner Tedesco, der ebenfalls aus Italien stammt. Während die verschiedenen Gruppen vor Beginn des Konklaves um Stimmen werben, taucht ein bis dato unbekannter Kardinal namens Benitez auf, den der verstorbene Papst (wohl aus Sicherheitsgründen) heimlich, aber zulässig, zum Kardinal von Kabul ernannt hatte. Lawrence heißt Benitez, der in vielen Kriegs- und Krisengebieten gearbeitet hat, willkommen und beginnt das Konklave mit einer ungewöhnlichen Predigt, in der er betont, dass „Gottes Geschenk an die Kirche ihre Vielfalt ist“. Er warnt vor „Gewissheiten“ und plädiert für Toleranz und eine Fehlerkultur in der Kirche, womit er großen Eindruck macht, so dass Lawrence selbst im ersten Wahlgang Stimmen erhält.
Bellini, der ursprünglich aussichtsreichste liberale Kandidat, unterstellt Lawrence, selbst Papst werden zu wollen, zumal er selbst zunehmend schlechter dasteht. Während der folgenden Wahlgänge (die bis zum Erreichen einer Zweidrittelmehrheit fortgesetzt werden), wird zunächst der Nigerianer Adeyemi mit einer Ordensschwester konfrontiert, mit der er einst ein uneheliches Kind gezeugt hat. Auch der Kanadier Tremblay scheidet als Kandidat aus, nachdem er der Bestechung von Kollegen überführt wird. Alles scheint auf einen Showdown zwischen dem ultrakonservativen Tedesco und Lawrence hinauszulaufen, als die Sixtinische Kapelle von einer Explosion erschüttert wird. Eine Serie von Anschlägen hat zahlreiche Menschen in Rom und anderswo getötet. Entgegen dem Protokoll informiert Lawrence die Kardinäle darüber und Tedesco nutzt die Gelegenheit, um in einer Wutrede für sich zu werben: „Wir brauchen einen Führer, der begreift, dass wir mit einem wahren Religionskrieg konfrontiert sind.“ In den folgenden Tumult hinein entgegnet der unbekannte Benitez: „Bruder Kardinal, bei allem Respekt, was wissen Sie vom Krieg? Wenn Sie sagen, wir müssen kämpfen, wogegen meinen Sie, müssen wir kämpfen? Meinen Sie, es sind die Verblendeten, die diese Gräueltaten heute verübt haben? Nein, mein Bruder. Der Kampf findet hier statt. Hier, in jedem von uns. Wenn wir dem Hass und der Angst nachgeben. Wenn wir über Gruppen reden, anstatt für jeden Mann und jede Frau zu sprechen. Ich bin zum ersten Mal unter euch und vermutlich wird es das letzte Mal sein. Und verzeiht mir, aber hier haben wir uns als kleine und kleinliche Gruppe von Männern erwiesen, die nur an sich selbst interessiert ist. An Rom. An der Wahl und an Macht. Aber diese Dinge sind nicht die Kirche. Die Kirche ist nicht Tradition. Kirche ist nicht Vergangenheit. Kirche ist das, was wir von jetzt an aus ihr machen.“
Kurz darauf wird Benitez zum neuen Papst gewählt und nun folgt ein unerwarteter Plottwist: Noch vor der öffentlichen Proklamation erfährt Lawrence, dass Benitez ein „gesundheitliches Problem“ haben könnte. Und dieser erklärt ihm, dass er zufällig bei einer Blinddarmoperation im Erwachsenenalter erfahren habe, dass er neben männlichen Geschlechtsorganen auch weibliche Eierstöcke und eine Gebärmutter besitze. Der verstorbene Papst hatte davon gewusst, aber Benitez sich gegen eine Entfernung der Organe entschieden. Zunächst reagiert Lawrence erschüttert, aber als er am Ende den Jubel vom Petersplatz hört, lächelt er bewegt.
„Konklave“ ist kein Monumentalfilm, sondern eher ein Kammerspiel. Die beeindruckende Filmkulisse, die die Originalschauplätze der Vatikanstadt und des marmorkalten Gästehauses Santa Marta ersetzt, erzeugt zwar eine sakral-übermenschliche Atmosphäre und auch die opulenten Kostüme tragen zu einer enormen Bedeutungsschwere bei, aber Regisseur Berger fängt immer wieder die existenzielle Einsamkeit der einzelnen Menschen auf dieser Riesenbühne ein. Überhaupt, das Menschliche: Die persönlichen Glaubenszweifel des Protagonisten Lawrence, das stumme Leiden und der Kampf der Ordensschwester Agnes (Isabella Rossellini), die aggressive Arroganz des Hardliners Tedesco (Sergio Castellitto) – dafür finden Berger und sein Kameramann Stéphane Fontaine starke Bilder. Im Zusammenspiel mit der Musik von Komponist Volker Bertelmann wird „Konklave“ zum Erlebnis, das in Erinnerung bleibt.
Zwar geht es laut Regisseur Berger (wie er in einem Interview sagte) in „Konklave“ weniger um Kirche und Religion als um „Machtspiele hinter verschlossenen Türen“, und ohne Zweifel lassen sich dafür auch viele Parallelen in Wirtschaft und Politik finden. Aber zugleich sind die Fragen und auch die Machstrukturen, die in dieser Geschichte thematisiert werden, auf beklemmende Weise denjenigen ähnlich, die wir auch in der SELK erleben. Zu den Fragen gehört, ob es zwischen rückwärtsgewandtem Konservatismus eines Tedesco und einem weltoffenen Toleranzdenken eines Lawrence noch einen dritten, spirituellen ebenso wie versöhnlichen Weg für die Zukunft der Kirche gibt, wie ihn Benitez vorlebt. Zu den Fragen gehört, ob ein Gremium von etwa hundert Männern geeignet ist, über die Zukunft einer Kirche zu entscheiden. Zu den Fragen gehört, ob es Eierstöcke und eine Gebärmutter sind, die einen Menschen vom Amt der Kirche disqualifizieren können. Dass gerade Benitez, der Unbekannte aus der Diaspora, am Ende zum Hoffnungsträger wird, ist nicht verwunderlich, denn er ist hier der wahre Brückenbauer – der Pontifex.
(MS)
08.03.2025
Beitragsbild: Blick von St. Peter auf den Petersplatz (Quelle: pixabay.com)

Brückenbauer wünsche ich mir mehr in unserer Kirche, unserem Land und auf dieser Welt.
Wenn ich aufmerksam zuhören, gibt es sie in meiner Umgebung, unserer Kirche und überall auf der Welt – Menschen, die jeden Mann und jede Frau im Blick haben.
Dafür danke ich Gott.
Und ich bitte um offene Ohren bei mir, in unserer Kirche, unserem Land und überall auf dieser Welt.