Zum Inhalt springen

Die SELK und ihre Grundlagen

Ein aktueller Beitrag zur Diskussion um die Ordination von Frauen in der SELK  –  von Prof. i.R. Dr. Volker Stolle, Mannheim

In der gegenwärtigen Phase der Diskussion über die Frauenordination besteht meines Erachtens die große Gefahr, dass wir in dem Bemühen um möglichste formale Korrektheit an einem bestimmten Punkt die tragende Grundlage unserer lutherischen Existenz aus den Augen und unter den Füßen verlieren, nämlich die Verkündigung des Evangeliums.

Wir haben es ja bei der Bestimmung von Art 7,2 der Grundordnung, wonach das kirchliche Amt nur Männern übertragen werden darf, mit einem völligen Novum in der Geschichte der lutherischen Kirche zu tun. Diese Bestimmung verdankt sich nicht etwa neuen theologischen Erkenntnissen, sondern war damals (1972) rein kirchenpolitischer Natur. Ich habe die Diskussion um die Grundordnung ja selbst miterlebt. Die Bestimmung kam in der letzten Phase plötzlich in die Grundordnung, nachdem es vorher keinerlei Diskussion darüber gegeben hatte. Und in diesem Stadium war dann an dem Text auch nichts mehr zu ändern, sondern nur über Annahme oder Ablehnung zu entscheiden. Ich habe mich damals der Stimme enthalten. Dieser Satz stellte nach Bischof Dr. Rost eine Gefälligkeit dar, um die Kirchliche Sammlung um Bibel und Bekenntnis[1] in ihrem Kampf innerhalb der lutherischen Landeskirchen gegen die Frauenordination zu unterstützen. Sie wirkte sich dann als Bumerang aus, indem sie zu einer speziellen Charakterisierung der SELK wurde.

Nach meiner theologischen Einsicht verletzt die SELK grundlegende exegetische Weichenstellungen, ohne die die lutherische Reformation überhaupt nicht denkbar gewesen wäre, sägt also an den eigenen Grundlagen. Wir verlieren unsre biblische Grundlage, das Evangelium. Ich meine das ganz ernsthaft.

Ich nenne nur drei exegetische Entscheidungen Luthers, ohne die sein reformatorischer Protest gar nicht möglich gewesen wäre.

1. Auf der Leipziger Disputation 1519 beschäftigten sich Dr. Eck und Luther eingehend mit den Grundlagen des kirchlichen Amtes. Um sich dem Papst überhaupt widersetzen zu können, sah sich Luther genötigt, das Petruswort: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen….“ (Mt 16,18f) in seiner Geltung auf Petrus als Einzelperson einzuschränken. Es fehlt ja auch eine Weisung an Petrus, dies sein Amt weiterzugeben. Damit aber fiel die Herleitung eines kirchlichen Amtes vom Amt der Apostel (apostolische Sukzession[2]) überhaupt fort. Denn auch die Worte Jesu an die Apostel sind nicht mit einer Weisung zur Weitergabe eines Amtes verbunden. Luther und Eck waren sich dieser Konsequenz sehr bewusst. Es fiel Luther offenbar selbst schwer, diese Konsequenz anzunehmen. Aber er hat nicht nur demonstrativ das Kirchenrecht vor dem Elstertor verbrannt, sondern auch die theologischen Konsequenzen sehr gewissenhaft und selbstkritisch gezogen. Es ging ja um das Heil. Deshalb stützte sich Luther auf eine unmittelbare Herleitung der kirchlichen Vollmacht von Jesus Christus als dem einen Hirten. Der eine Punkt schien ihm entscheidend, dass wir die Stimme Christi ganz direkt hören, so in Joh Ev. 10,3[3]. So auch Melanchthon: „Und tut die Person gar nichts zu solchem Wort und Ampt, von Christo befohlen, es predige und lehr es, wer da wollt‘, wo Herzen sind, die es glauben und sich daran halten, den widerfähret, wie sie es hören und glauben, darumb, daß es Christus so zu predigen befohlen und seinen Verheißungen zu glauben geheißen hat“ [4]. Christus bedient sich menschlicher Stimmen, ohne von diesen eine besondere Eigenart oder Qualifizierung zu fordern.

2. Als zweiten Hinweis nenne ich Luthers Abendmahlslehre. Luther macht die Gültigkeit der Abendmahlsfeier in keiner Weise von einer Amtsvollmacht eines Priesters abhängig, sondern setzt an die Stelle der Personen den Glauben an die Worte Jesu. In keiner der neutestamentlichen Abendmahlsstellen ist freilich vom Glauben die Rede. Luther holt den Begriff über den paulinischen Begriff „unwürdig/würdig“ in seine Argumentation hinein. Siehe nur den Kleinen Katechismus mit seiner direkten Verbindung zwischen Wort Jesu und Glaube der Empfangenden.

3. Drittens ergeben sich für Luther biblisch-hermeneutische Folgerungen aus dem festen Glauben, dass Jesus für alle Menschen gestorben ist und dieses Heil im Evangelium verkündigt wird. Bei der Zurückweisung der prädestinatianischen[5] Option bestanden Luther und Melanchthon dezidiert auf einer ernsthaften Berufung aller Menschen zum Heil (vocatio seria). Sie dehnten deshalb die Verkündigung des Evangeliums über Abraham (Gal 3,16) und Abel (Hebr 11,4) zeitlich zurück bis zu Adam und Eva aus, weil sie alle Menschen aller Zeiten unter einer universalen Berufung (vocatio universalis) sahen. Sie fühlten sich durch das Evangelium ermächtigt, sehr gewagte historische Annahmen zu riskieren. Und Eva war in diesen Verkündigungsprozess selbstverständlich einbezogen. Gottes Möglichkeiten wollten sie keinesfalls begrenzen durch Möglichkeiten der historischen Verifizierung.

Die klassische lutherische Dogmatik hat denn auch einen besonderen Locus De vocatione Lutheri[6]entwickelt. Denn auch wenn Luther durch den Bann alle seine kirchlichen Rechte und durch die Reichsacht seine Bürgerrechte verloren hatte sowie von seinen Mönchgelübden entbunden war, wurde seine Verkündigung des Evangeliums doch öffentlich angenommen. Luthers Promotion zum Doktor der Theologie sollte es richten. Trotz allem galt er also als „rite vocatus“.[7] Eine direkte apostolische Weisung lag natürlich nicht vor.

Die SELK steht nach meiner Beobachtung in der Gefahr, die Wirkung des Evangeliums an ein kirchliches Amt zu binden, das eine historische Fiktion ist und sich in dieser Weise ebenso wie das Papstamt aus dem NT nicht herleiten lässt. Das „kirchliche Amt“ ist erst Jahrhunderte später entstanden und stellt sich ökumenisch keineswegs als eine Einheit dar. Es hat immer wieder neue Ausgestaltungen erfahren. Auch ein ökumenischer Kern einer auf bestimmte Personen bezogenen Amtsgestalt lässt sich nicht ausmachen (ob wir Frauen ordinieren oder nicht – auch unser männliches Amt wird von der röm.-kath. Kirche nicht als solches anerkannt). Die letzte Spitze ist nun jetzt die Beschränkung auf Männer – in klarem Gegensatz zu neutestamentlichen Vorgaben (neben anderen griechischen Begriffen, die Luther ebenfalls mitunter mit „Amt“ übersetzt, gilt das auch von „diakonia/diakonein“, eine Begrifflichkeit, in die Frauen mit einbezogen sind). Vor allem lässt sich eine solche Einschränkung nicht aus der Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi herleiten, in dem sich Gott allen Menschen heilvoll zuwenden will.

Sollte Peter Hauptmann mit seiner Befürchtung von 1964 doch noch Recht bekommen, dass die selbständigen lutherischen Kirchen „vielfach eine völlig unlutherische Gesetzlichkeit“ herausgebildet hätten, indem sie nämlich „Verfassungsfragen eine Wertschätzung beimessen, die dem Luthertum von Hause aus fremd ist“[8]? Wenn wir diesen Weg weiterverfolgen, einen Satz unserer Grundordnung über Schrift und Bekenntnis und damit über das Evangelium von Jesus Christus zu stellen, geben wir zwangsläufig unser Luthertum auf. Denn unter dieser Voraussetzung hätte es Luthers Reformation niemals geben können. Die Feststellung, die Werner Klän 1995 getroffen hat, gilt noch immer: „Es ist theologisch verfehlt, die Frage der Ordination von Frauen zum Testfall der Kirchengemeinschaft zu machen.“[9]

Ich muss das so deutlich sagen und meine es keineswegs polemisch, sondern ernsthaft besorgt über die Möglichkeit eines völligen Irrwegs, den unsere Kirche beschreiten könnte, die einmal angetreten war, um das Luthertum zu bewahren und damit in allem dem Evangelium zu dienen.

9.10.2025


[1] Die Kirchliche Sammlung um Bibel und Bekenntnis ist ein konservativ-lutherischer Zusammenschluss, der in verschiedenen Landeskirchen der EKD aktiv ist. Als Grundlagen gelten der Organisation die Bibel und die Lutherischen Bekenntnisschriften. Sie sieht die evangelisch-lutherischen Landeskirchen in Gefahr, „sich davon immer weiter zu entfernen und ihre elementaren Glaubensinhalte dem Zeitgeist zu opfern“ (nach Wikipedia, abgerufen am 09.10.2025)

[2] Apostolische Sukzession meint die Vorstellung, dass eine direkte, ununterbrochene Weitergabe der Autorität und des Amtes von den Aposteln bis heute besteht.

[3] Vgl Schmalkaldische Artikel, Die Kirche (in: „Unser Glaube“, Die Bekenntnisschriften, S. 426)

[4] Der Tractatus de potestate et primatu Papae (dt.: Von der Gewalt und Obrigkeit des Papstes) ist ein Nachtrag zur Confessio Augustana, der von Philipp Melanchthon im Jahre 1537 verfasst und in Straßburg 1540 anonym veröffentlicht wurde. Die deutsche Fassung wurde in Nürnberg 1541 verlegt. Der Tractatus wurde erst 1580 durch seine Aufnahme in das Konkordienbuch zur offiziellen Bekenntnisschrift des Luthertums (nach Wikipedia, abgerufen am 9.10.2025)

[5] „prädestinatianisch“ stammt von Prädestination ab und bedeutet „Vorherbestimmung“. Es ist ein theologisches Konzept, dem zufolge Gott von Anfang an das Schicksal der Menschen vorherbestimmt hat.[1] Insbesondere geht es dabei um eine Erwählung einzelner Seelen zum ewigen Leben oder zu ewiger Verdammnis.

[6] = Lehrstück Über Luthers Berufung

[7] = Ordentlich berufen

[8] Peter Hauptmann, Symbolik der konfessionellen reformatorischen Freikirchen des Westens, in: Symbolik der kleineren Kirchen, Freikirchen und Sekten des Westens, Stuttgart 1964, 32.

[9] Werner Klän, Thesen über „Ökumenische Aspekte zum Für und Wider der Ordination von Frauen“, in: Frauen im kirchlichen Amt? (OUH 28), Oberursel 1995, 84.

Beitragsbild von pixabay.com.

9 Gedanken zu „Die SELK und ihre Grundlagen“

  1. Lieber Volker,
    auch ich hielte es für falsch, den gegenwärtigen Konflikt rein formal-kirchenrechtlich zu betrachten. Es geht tatsächlich letztlich um die „tragende Grundlage unserer lutherischen Existenz“, oder einfach unseres Christseins, und die ist uns mit dem Herrn Jesus Christus und seinem Evangelium gegeben. So geht es bei dem Konflikt eigentlich nur um die Frage: Was will der Herr der Kirche?
    Dazu trägt allerdings Deine in meinen Augen defizitäre und darum verzerrte Wahrnehmung der Entstehung des Art 7,2 GO nicht bei. Es war doch so: In allen drei Kirchen, die sich 1972 zur SELK zusammenschlossen, galt selbstverständlich, dass nur Männer das Hirtenamt ausüben können, weil Christus es so will. Das war zur Zeit ihrer Entstehung auch in allen anderen Kirchen selbstverständlich. Wegen der geänderten Verhältnisse entschloss man sich, die gemeinsame Überzeugung in dem genannten Grundordnungsartikel zum Ausdruck zu bringen. Vom Sachgehalt her war das damals also keineswegs ein „völliges Novum“, sondern eine Selbstverständlichkeit.
    Deine inhaltlichen Einwände aus dem Bereich der Reformationsgeschichte überzeugen mich nicht. Die drei Punkte, die Du anführst, berühren ja gar nicht die Frage der Frauenordination, deren Einführung Luther im übrigen wohl kaum zugestimmt hätte.
    Zu 1.: Die biblische Begründung des Geschlechtskriteriums für Amtsträger ist in unserer Kirche nie nur einseitig mit Berufung auf die Männlichkeit Apostel geschehen, schon gar nicht hinsichtlich einer „apostolischen Sukzession“.
    Zu 2.: Der Zusammenhang von Heilsgewissheit, Gültigkeit der Gnadenmittel und Hirtenamt ist ein komplexer, der zugegebenermaßen in der SELK strittig ist und aufgearbeitet werden sollte. Aber ich kann gut nachvollziehen, dass es zu einer Anfechtung werden kann, wenn nicht klar ist, ob die Person, die mich geistlich weiden soll, dazu überhaupt rechtmäßig berufen ist.
    Zu 3.: Das bestreitet niemand. Allerdings ist es hier nötig, eine allgemeinen Berufung der Christenheit zur Verkündigung des Evangeliums vom „öffentlichen Predigtamt“ zu unterscheiden, wie es z. B. in den Einigungssätzen IIIB,2 bezeugt ist.
    Die von Dir vertretene und vielfach aufgegriffene Ansicht, das öffentliche Predigtamt sei eine „historische Fikition“, kann ich nicht nachvollziehen. Vielmehr finden sich doch bereits im NT viele Belege für die Notwendigkeit eines geistlichen Weide-, Lehr- und Leitungsamtes, das im heutigen Pastorenamt seine Fortsezung gefunden hat.
    Lieber Volker, Du bist besorgt über einen „völligen Irrweg“ unserer Kirche. Wir bitten Gott darum, dass er uns genau davor bewahre. Und in diese Bitte eingschlossen ist die Bitte um Vergebung, dass wir Theologen uns bisher nicht entschieden genug um eine rechenschaftsfähige theologische Klärung bemüht haben. Es wurde zwar über einen langen Zeitraum hinweg viel diskutiert, aber ohne die Erträge zu sichern, sondern eher im Sinne von „schön, dass wir mal drüber geredet haben“. Selbst dafür scheint momentan vielen der Atem ausgegangen zu sein, und Trennung liegt in der Luft. Wahrscheinlich stimmen wir beide darin überein, dass man dies nicht einfach fatalistisch so hinnehmen sollte.

  2. Sehr geehrter Professor D. Stolle,
    vielen Dank für ihre Hinweise, insbesondere zur Geschichte der Grundordnung. Die Synodalkommission Szenarien konnte ihren Auftrag nicht vollumfänglich erfüllen, weil offenbar unterschiedliche Vorstellungen in der Kommission vorhanden waren, ob die Frage der Frauenordination bekenntnisrelevant ist oder nicht und hat darum den APK gebeten, diese Frage zu klären. Das ist nicht geschehen! Man hat stattdessen einen Beschluss gefasst, dass man sich eine Kirche mit zweierlei Praxis „nicht vorstellen“ kann. Und so lebt jeder mit seiner Vorstellung weiter. Für die Einen ist die Grundordnung quasi eine weitere Bekenntnisschrift und für die Anderen ist es eine änderbare Ordnung. Unsere Kirche scheut hier eine Entscheidung, weil sie genau weiß, dass GO 7.2 keinen Bekenntnisrang hat. Dies zuzugeben scheut sie aber genau so, weil sie die Gegner der FO, für die das eine Bekenntnisfrage ist, nicht verlieren möchte.
    Hermann Borchers

  3. Lieber Professor Stolle,

    vielen Dank für ihre Worte!

    Damit ist mir vieles klarer geworden. Das Amt unserer Pfarrer mit den Aposteln zu verknüpfen ist aus vielen Gründen zu hinterfragen. Ihre Argumente sind hier sehr schlüssig und zeigen, dass diese Verknüpfung weder biblisch noch reformatorisch zu begründen ist.

    Ihr zweiter Abschnitt zum Abendmahl ist zusammen mit dem Text zur Heilsgewissheit, der von Pfarrern der SELK vor kurzem erarbeitet wurde, eine gute Grundlage auch hier Frauen neue Wege zu eröffnen.

    Ihre Worte zum kirchlichen Amt sind eine gute Grundlage für die SELK, gut begründet neue Wege zu gehen.
    Ich bin besonders dankbar, dass sie als Zeitzeuge den Ablauf erklären, wie der Artikel 7.2 in die Grundordnung gekommen ist. Es ist also kein Bekenntnisthema, das wird hier sehr klar. Ob es eine Ordnungs- oder Lehrfrage ist, wäre zu diskutieren, nach ihrer Schilderung ist es wohl eine Ordnungsfrage gewesen.

    Ich hoffe das die von der Kirchensynode eingerichtete Einheitskommission ihren Text als Grundlage ihrer Arbeit nutzt. Dann ist ein Zusammenbleiben der SELK mit der Möglichkeit Frauen zum Pfarramt zu ordinieren vorstellbar und damit würde dann der Irrweg verlassen.
    Ich fände es auch sehr hilfreich, wenn ihr Text auch in der ILC bekannt gemacht würde.

    Thomas Hartung

  4. Ich verstehe die oben skizzierten Befürchtungen, halte sie in ihrer Grundsätzlichkeit (Verlust des lutherischen Propriums, völliger Irrweg) aber für überzogen.

    • Dass das Evangelium eine Kraft Gottes ist und auch von nicht-ordinierten Männern und Frauen wirksam weitergegeben werden kann und soll, stellt kein Gegner der FO in unserer Kirche in Abrede. Es geht um die Frage, wer es im Sinne des öffentlichen Predigtamtes tun darf.

    • Auch die Teilhabe aller Getauften am allgemeinen Priestertum und die der ganzen Kirche übertragene Schlüsselgewalt stehen nicht zur Disposition. Nur der Schluss vom allgemeinen ‚sacerdotium‘ aufs ‚ministerium‘ wird bestritten.

    • Niemand will zurück zu einer sakramentalen Weihevollmacht (potestas ordinis), wie sie von der römischen Kirche vertreten wird. Allerdings hat auch Luther gelehrt, dass das Altarsakrament von einem berufenen Diener (minister) verwaltet werden soll. Um die Frage, wer zu diesem Dienst befugt ist, geht es (nicht um die potestas!)

    Kritisch anmerken möchte ich:

    • Die Ablehnung der Notwendigkeit einer Weihe in ununterbrochener Sukzessionskette (successio apostolica) bedeutet nicht automatisch, dass zwischen Apostelamt und heutigem Predigtamt keinerlei Kontinuität besteht. Auch unsere Pastoren sind als presbyteroi bzw. episkopoi Nachfolger der Apostel im öffentlichen Wort- und Leitungsdienst der Kirche (vgl. 1. Clem 44,1-3).

    • Laut lutherischem Bekenntnisstand ist das Predigtamt keine „historische Fiktion“, sondern von Gott eingesetzt (vgl. CA, Art. V). Luther selbst beruft sich diesbezüglich in seiner Schrift „Von der Kirche“ auf Eph 4,11.

    • Artikel 7,2 mag ein Novum in der Geschichte der lutherischen Kirche sein. Die Neuheit besteht aber nicht im Inhalt, sondern nur in der Tatsache der Ausformulierung als Kirchenordnung. Dass das Hirten- bzw. Predigtamt nur Männern übertragen werden kann, war bis ins 20. Jahrhundert bekanntermaßen ökumenischer Konsens und eine Selbstverständlichkeit in allen Kirchen. Auch der lutherischen.

    • Die Befürchtung, ein Satz unserer Grundordnung werde über Schrift und Bekenntnis gestellt, setzt dessen Verschiedenheit von Schrift und Bekenntnis voraus. Genau darüber wird aber gestritten. Eine Mehrheit unserer Pfarrer ist dabei der Meinung, dass Art 7,2 schriftgemäß ist (vgl. 1. Tim 2,12).

  5. Der Link zu diesem Artikel wurde an die Kirchenleitung, alle Professoren an der LThH, Pastoralreferentinnen und Pfarrer der SELK unter meinem Namen versandt. Das war ein technisches Versehen. Das Anschreiben war nicht von mir verfasst, die E-Mail nicht von mir, sondern von der Redaktion von https://mitten-aus-der-selk.de/ueber-uns versandt.
    Nichtsdestotrotz empfehle ich die Lektüre des Beitrags wärmstens.

  6. Johannes Schröter, P.i.R.

    Dem Artikel „Die SELK und ihre Grundlagen“ von Prof. Dr. Stolle kann man nur weiteste Verbreitung und gewissenhafte Aufmerksamkeit wünschen. Es ist nun wirklich Zeit, den Grundbestand unserer Kirche zu bedenken gegen alle Emotionalität und Sackgassen-Mentalität im Durchgang zur OF. Stolles Hinweise benennen den einzig haltbaren Grund und ordnen die nachrangige Entstehung der Grundordnung unserer Kirche präzise ein. Anders kann der Diskurs nicht weiter geführt werden, wenn diese Grundlagen nicht Teilnahme und Rückbesinnung aller finden. So bleibt im Gedränge der Zeiten noch Hoffnung gez. Johannes Schröter

  7. Sehr geehrte Damen und Herren, von Herzen Dank für diesen so gut recherchierten, sachlich und wissenschaftlich formulierten Beitrag über das Thema der Frauenordination (
    Wir täten gut dran unsere menschlichen Ordnungen regelmässig an Gottes Wort zu überprüfen.
    Möge die Verkündigung vom Evangelium/ die GUTE Nachricht das Hauptziel jeder Kirche bleiben.

  8. Einen guten kurzen Überblick über das Ringen der noch jungen SELK in der Frage der Frauenordination bekommt man übrigens auf der Homepage der SELK unter „Lexikon A-Z“, Buchstabe F. Dort ist nachzulesen, dass auf der allerersten Kirchensynode 1973 in Radevormwald nur von einer einzigen Kirchengemeinde – der Epiphanias-Gemeinde in Bochum – der Antrag auf Streichung von GO Art. 7,2 gestellt wurde. Auch eine daraus resultierende Kommissionarbeit lehnte die FO mit deutlicher Mehrheit als nicht mit der Bibel zu begründen ab. Die zweite Kirchensynode kam dann zu dem Schluss: „Die Synode bekennt sich einmütig zu dem Ergebnis der Kommissionsarbeit, wonach eine Ordination von Frauen zum heiligen Predigtamt in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche auch heute nicht möglich ist. Mit überwiegender Mehrheit ist die Synode der Überzeugung, dass die Aussagen der Heiligen Schrift selbst eine solche Möglichkeit bindend ausschließen.“ (17. Juni 1975).
    Wohlgemerkt: Die Frage der FO wurde damals nicht etwa mit unzulänglichen gesellschaftlichen Bedingungen (veränderbar, da von Menschen zu beeinflussen) abgewiesen, sondern allein mit der eindeutigen Botschaft der Heiligen Schrift (unveränderbar, da von Gott ausgehend).

  9. Aus theologischer Sicht kann ich die Richtigkeit einer verneinenden FO nicht beurteilen. Aber seit 2 Tausend Jahren wird in der patriacharischen christlichen Welt das weibliche Wesen unterdrückt und ihr der Rausschmiss aus dem Paradies vorgehalten. Im 21. Jahrhundert sollte doch allmählich die Gleichberechtigung auch in der christlichen Kirche angekommen sein und den Frauen das Amt des Priesters offen stehen, wenn sie sich dazu berufen fühlen. Das hat nichts mit Zeitgeist zu tun, denn zeitlebens wurden Frauen unterdrückt, durften nicht gebildet sein oder einen Beruf ausüben, aber durften immer die „Dienstmaegde“ in der Gemeinde sein. Wenn die SELK sich diesbezüglich öffnet wird das ein Zeichen für die gesamte christliche Welt sein.

Schreibe einen Kommentar zu Christa Straeuli Antwort abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert