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Dröhnendes Schweigen

Ein Kommentar

Gemeinde – das sind diejenigen, mit denen wir Gemeinschaft pflegen, etwas „gemeinsam haben“. Hergestellt wird diese Gemeinschaft zum Beispiel durch das Beisammensein im Gottesdienst, durch gegenseitige Hilfe, vor allem aber durch Kommunikation. Ohne Kommunikation keine Kirche, denn das Wort „Kommunikation“ stammt vom lateinischen „communis“ = gemeinsam, „communicare“ heißt „teilhaben“ und nicht umsonst nennen wir das Abendmahl auch „Kommunion“, weil wir hier Gemeinschaft mit Gott und miteinander erleben. Kommunikation ist die Basis der Kirche.

„Wir müssen anfangen aufzuhören.“ Diesen Appell richtet Bischof Voigt seit einiger Zeit an die SELK.[1] Womit sollen wir aufhören? In erster Linie damit, über die Frauenordination zu reden. Schon im September 2024 forderte die Kirchenleitung unter Bischof Voigt Pfarrer und Gemeinden auf, „von allen Maßnahmen, die die Polarisierung in der Frage der Ordination von Frauen befördern und nicht der kirchlichen Einheit dienen, abzusehen und öffentliche Stellungnahmen und Meinungsumfragen zu unterlassen, um den kirchlichen Gremien die Ruhe und die Zeit zu einer Entscheidung und Bestätigung zu geben.” [SELK_news, 4.9.24] Mit „kirchlichen Gremien“ war vor allem der Allgemeine Pfarrkonvent im Juni 2025 gemeint, dem es denn auch gelungen ist, in Ruhe zu arbeiten. Will heißen: Die von der Synodalkommission „Szenarien“ dokumentierten Voten aus den Gemeinden spielten keine Rolle für die Beratungen des APK, er beschloss mehrheitlich, dass er sich zwei parallele Ordinationspraktiken in der SELK sowohl theologisch als auch praktisch nicht „vorstellen könne“. Eindringlich war der APK gebeten worden, klarzustellen, dass es sich bei der Frage der Frauenordination nicht um eine kirchentrennende Bekenntnisfrage handelt. Der APK schwieg dazu.

Keine guten Voraussetzungen zur Weiterarbeit für die Kirchensynode auf ihrer hierauf folgenden Sitzung im September 2025. Eine von über 1500 Kirchgliedern unterzeichnete Petition hatte das höchste Entscheidungsgremium der SELK eindringlich gebeten, einen gemeinsamen Weg für die Kirche zu finden, der beiden Positionen gerecht wird. Befürworter*innen der Frauenordination unter den Synodalen setzten sich intensiv für einen solchen Weg ein, aber ein Kompromiss war nicht möglich. Es wurde die Einsetzung von zwei Kommissionen beschlossen: Eine „Einheitskommission“ und eine „Trennungskommission“. Sie arbeiten an entgegengesetzten Zielen. Die Einheitskommission soll den Status Quo der Kirche wahren und dazu Gespräche führen, ohne Ordnungsänderungen anzustreben. Die Trennungskommission erarbeitet praktische Möglichkeiten der Kirchentrennung oder zumindest der Abspaltung von Gemeinden. Frauenordination in der jetzigen SELK kommt in diesem Alternativpaar nicht vor.

Nun ist diese Situation für viele Kirchglieder und Gemeinden der SELK ausgesprochen verwirrend. Die Kirchensynode setzt da zwei Kommissionen ein, die in diametral entgegengesetzten Richtungen an der Zukunft der SELK arbeiten. Wohin soll die Reise gehen? Was kommt auf uns zu? Was sollen wir tun? Es ist die zentrale Funktion der Kirchenleitung und vor allem des Bischofs, in einer solchen Zeit der Verunsicherung Orientierung zu bieten. Dazu wäre es beispielsweise sehr hilfreich, die Einsetzung der Kommissionen und ihre Funktionen ausführlich zu erklären. Auch eine persönliche Einschätzung dazu, was die Kirchenleitung von der Arbeit der Kommissionen erwartet und erhofft, wäre wichtig zur Orientierung der Kirche. Nicht zuletzt gälte es herauszuarbeiten, wie die Haltungen der Gemeinden zur Frauenordination in die Arbeit der Gremien und in die gemeinsame Gestaltung unserer kirchlichen Zukunft einfließen. All das sind drängende Fragen und die Kirche wartet seit Monaten darauf, dass die Kirchenleitung unter Bischof Voigt sich dazu äußert. Stattdessen herrscht dröhnendes Schweigen.

Der Verfasser dieser Zeilen lädt in der Reihe „inFOyer“ seit dreieinhalb Jahren immer wieder Menschen von innerhalb und außerhalb der SELK zu öffentlichen Online-Gesprächen zum Thema Frauenordination ein. Angesichts der besonders unklaren Lage der SELK wurde Bischof Voigt sehr bald nach der Synode zu einem solchen Gespräch eingeladen. Er sagte ab. Ein Propst wurde angefragt und sagte ab. Ein weiterer Propst wurde angefragt und sagte ab. Ein Laienkirchenrat wurde angefragt und sagte ab. Ein Superintendent wurde angefragt und sagte ab. Eine Synodale, prominente Gegnerin der Frauenordination, wurde angefragt und sagte ab. Zugesagt hat bisher ausschließlich eine die Frauenordination befürwortende Synodale – aber gerade die Perspektive der anderen Seite ist gefragt! Als Begründung für Absagen wurde mehrfach genannt, man wolle die Kommissionen „in Ruhe arbeiten lassen“. Die Fragen, Anliegen und Sorgen der ganzen Kirche, das dringende und nachvollziehbare Bedürfnis nach Information und Leitung scheint demgegenüber keine Rolle zu spielen.

Der österreichische Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick (1921-2007) formulierte grundlegende Erkenntnisse zur menschlichen Kommunikation in fünf bekannten Axiomen. Das erste dieser Axiome lautet: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Sobald wir in einer Beziehung stehen, kommunizieren wir auch dann miteinander, wenn eine Seite schweigt. Ob die Beziehung unter diesen Bedingungen gut gestaltet werden kann, darf bezweifelt werden. Anders gesagt: Wenn die Kirchenleitung unter Bischof Voigt sich zur wichtigsten Frage der SELK heute einfach nicht äußert, dann ist das nicht neutral, es löst keine Probleme und verstärkt nur eines: Die Abschottung.

Das ist eine düstere Bestandsaufnahme, aber gerade in der Dunkelheit dieser Tage beginnt das neue Kirchenjahr mit dem Advent, die Zeit der Hoffnung. Und die besteht für unsere Kirche. Während wir Abschottung erleben, begegnet uns auch das Gegenteil, nämlich verstärkte Kommunikation, Gemeinschaft und Verbundenheit jenseits der offiziellen Gremien. Nach einer Phase intensiver Gespräche in der Folge der Synodaltagung im September haben sich viele Kirchglieder der SELK in Arbeitsgruppen unterschiedlicher Art zusammengefunden, um aktiv an der Zukunftsarbeit unserer Kirche und Gemeinden mitzuwirken. Zuletzt wurde am 24.11. der Verein „Aufbruch SELK e. V.“ gegründet, um diese unterschiedlichen Initiativen zu vernetzen, zu koordinieren und zu stärken. Mit Gottes Hilfe werden wir weiter an seiner Kirche bauen.

(ms)
10.12.2025

P.S.: Heute teilte der Geschäftsführende Kirchenrat mit, er habe entschieden, eine Meldung zur Vereinsgründung von „Aufbruch SELK e. V.“ nicht zu veröffentlichen. Um eine Begründung für diese Entscheidung wurde gebeten, sie liegt noch nicht vor.

[1] Schon in einem Vortrag vor der KBZ-Synode Rheinland-Westfalen im April 2024 zitierte Voigt den Soziologen Hartmut Rosa mit den Worten: „Das Wichtigste ist, dass ich aufhöre.“. Quelle: Vortragsmanuskript.

Das Beitragsbild wurde von der Redaktion unter Verwendung der KI ChatGPT erstellt.

2 Gedanken zu „Dröhnendes Schweigen“

  1. In der SELK sind manche gleicher
    Eine Meldung, dass sich der Verein „Aufbruch SELK“ gegründet hat, der für die Zukunft unserer Kirche einen Beitrag leisten will, wird nicht in den kirchlichen Medien veröffentlicht (Gründe?).
    Ein neues Buch von Pfr. i.R. Krieser, dass die Diskussion zur Frauenordination als Hintergrund hat, wird dagegen an prominenter Stelle auf selk.de beworben.
    Welche Regeln gelten eigentlich für die kirchlichen Veröffentlichungen? Gegen Frauenordination gerne, dafür bitte eher nicht? Wird nicht immer betont, dass wir aufeinander hören und die Position der Anderen hören und akzeptieren wollen?

    Gründe?
    Manchmal hört man das Argument – die Kommissionen sollen in Ruhe arbeiten, öffentliche Äußerungen sollen unterbleiben. Das war im letzten Jahr so, als die Kommission „Szenarien“ arbeitete. Die Kirchenleitung rief zu dieser Ruhe auf, schickte aber dann selbst ein Schreiben der ILC unkommentiert an die Gemeinden, in dem dessen Vorsitzende der SELK der Ausschluss aus dem ILC androhte, sollte sie die Frauenordination einführen. Das Schreiben hätte man ja auch zurückstellen können, der Arbeit der Kommission hat es wohl nicht geholfen.
    Jetzt arbeiten die Einheits- und die Trennungskommission. Die Einheitskommission hat bereits bekannt gegeben, dass sie die Kommunikation mit Gemeinden und Kirchgliedern führen will. Der Verein „Aufbruch SELK“ steht zu diesem Dialog bereit, weil Kommunikation in der Situation der Kirche sehr notwendig ist.

    Theologie kennt keine Beweise
    Noch einige Worte zum Buch von Pfr. i.R. Krieser. Für mich verwechselt er die Theologie mit einer Naturwissenschaft oder der Mathematik. In den Naturwissenschaften und besonders in der Mathematik werden Thesen aufgestellt und dann (unwiderlegbar) bewiesen. In der Theologie gibt es unterschiedliche Bibelauslegungen, über die man dann ins Gespräch kommen kann. Eine absolute Wahrheit gibt es bei Gott, unser Wissen ist Stückwert. Eine Einheit werden wir nur bekommen, wenn anerkannt wird, dass es unterschiedliche Sichten auf die Bibel zu diesem Thema geben kann.
    Die Aufteilung hier bibeltreu, dort Zeitgeist stimmt so auch nicht. Beide Seiten lesen und argumentieren mit der Heiligen Schrift. Die Kirche der Reformation ist eine Kirche des Gesprächs über den Glauben aus unterschiedlichen Perspektiven. Nur so ist auch das ökumenische Engagement unserer Kirche möglich – wir haben unseren Glauben und hören was andere glauben.

    Dröhnendes Schweigen
    Es wäre interessant von unserer Kirchenleitung zu hören, welchen Ideen, Pläne und konkrete Vorhaben sie hat. Wie kann die Kirche zusammenbleiben? Wir haben zu wenige Pfarrer, wie sollen die Gemeinden versorgt werden? Die Gemeinden werden kleiner, wie sehen die zukünftigen Strukturen aus? Wir kennen viele Menschen in schwierigen Situationen, die unsere Hilfe brauchen, was machen wir? Und es gibt noch viel mehr in unserer Kirche, wofür ein Aufbruch notwendig ist. Leider herrscht auch hier „Dröhnendes Schweigen“.

    Einheit
    Worin wir in der Kirche noch einig sind, ist dass wir unsere Zeit investieren und unseren Beitrag zahlen. Der Umgang mit den Befürwortern der Frauenordination und mit Menschen, die in anderen Bereichen einen Aufbruch erwarten und die Einseitigkeit der Kirche, wie oben beschrieben, lassen Viele darüber nachdenken, ob das noch die Kirche ist, für die sie ihre Zeit und ihr Geld geben wollen.

  2. Sehr geehrter Herr Hartung!
    Es ist beachtlich, dass Sie sich bereits wenige Tage nach Erscheinen meines Buches „Eins bleiben!“ kommentierend dazu äußern. Es ist ganz in meinem Sinne, dass man sich – gern auch kritisch – über dessen Inhalt austauscht, wenn es denn sachlich geschieht. Allerdings kann ich nicht erkennen, dass Sie das Anliegen und die Argumentation des Buches richtig verstanden haben. Nirgends habe ich darin naturwissenschaftliche oder mathematische Beweisverfahren angewandt, auch der Begriff „Zeitgeist“ taucht in dem Buch an keiner Stelle auf. Ich bin um der Einheit der Kirche willen von unserem gemeinsamen Bekenntnis „Jesus Christus ist der Herr“ ausgegangen und habe von daher im Bemühen, die Aussagen der Heiligen Schrift recht zu verstehen, die für die FO relevanten Themenbereiche zu bearbeiten versucht. Natürlich habe ich dabei Thesen aufgestellt, die mir vom Textverständnis her geboten erscheinen, aber nirgends behauptet, dass alle diese Thesen „unwiderlegbar“ seien. Vielmehr habe ich ausdrücklich klar gemacht: Wenn mein Verständnis als nicht schrift- und bekenntnisgemäß widerlegt werden kann, dann bin ich bereit, es zu revidieren. Allerdings habe ich im Buch den Trugschluss entlarvt, den Sie als pauschales Hauptargument vorbringen: Weil es gegensätzliche Bibelauslegungen gebe, könne kein Mensch Gottes absolute Wahrheit erkennen. Die Tatsache, dass es verschiedene Bibelauslegungen gibt, bedeutet jedoch nicht, dass sie alle von Gottes Wort her gleichermaßen berechtigt sind. Die Christenheit hat vielmehr immer Wahrheit und Irrtum, rechte und falsche Lehre unterschieden, wie es Christus und seine Apostel ihr ja auch aufgetragen haben. Grundlegender Maßstab dafür ist Jesus Christus selbst, die Wahrheit in Person, darum setzt mein Buch bei ihm an.
    Ihnen und allen Lesern von „Mitten aus der SELK“ wünsche ich ein gesegnetes Christfest, bei dem das Kind in der Krippe, unser Herr und Heiland Jesus Christus, im Mittelpunkt steht!

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