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Fundament Jesus Christus – aber nicht Fundamentalismus

Zum folgenden Text liegt auch eine kürzere und vereinfachte Fassung vor, die unter diesem Link zu finden ist.

Aktuell hat der Begriff „Fundamentalismus“ in der SELK Hochkonjunktur. Die einen befürchten eine Entwicklung der SELK in Richtung Fundamentalismus,[1] die anderen deuten ihn positiv im Blick auf ihre Position, distanzieren sich von Biblizismus und wehren sich gegen die Kritik.[2]  Es lohnt sich also eine Einordnung und Aufarbeitung in diesem Diskussionsfeld.

Leicht zugänglich ist eine Definition zu „Fundamentalismus“ auf Wikipedia: „Fundamentalismus (von englisch fundamentalism, zusammengesetzt aus fundamental und -ismus; abgeleitet von lateinisch fundamentum‚Unterbau‘, ‚Basis‘, ‚Fundament‘) ist eine Überzeugung, Anschauung oder Geisteshaltung, die sich durch ein kompromissloses Festhalten an ideologischen oder religiösen Grundsätzen kennzeichnet und das politische Handeln bestimmt. In einem ursprünglichen Sinne bezeichnet Fundamentalismus Richtungen bzw. Bewegungen des amerikanischen Protestantismus, die davon ausgehen, dass die Bibel als unmittelbares Wort Gottes irrtums- und fehlerfrei sei.“[3]

Das Problem ist dabei nicht das Festhalten an zentralen christlichen Glaubenswahrheiten. Für uns als ev.-luth. Christen sind das z. B.: Jesus Christus als Mitte der Schrift, sein Tod und seine Auferstehung, die Dreieinigkeit Gottes, die Rechtfertigung aus Gnade sowie das Nächstenliebe-Gebot. Diese und weitere grundlegende Glaubenswahrheiten sind aus der Heiligen Schrift entnommen und in den lutherischen Bekenntnisschriften aufgenommen. In diesem Sinne hat die SELK ein gutes Fundament, das sie nicht verlassen darf und das die ganze Kirche eint.

Entscheidend ist dabei der Umgang mit der Heiligen Schrift. Mit Altbischof Jobst Schöne gesprochen: „Die ganze Schrift ist Gottes Wort, aber Gott bezweckt und bewirkt Verschiedenes in und mit ihren einzelnen Teilen und Aussagen, offenbart sich nicht allenthalben in gleicher und letztgültiger Weise, sondern dies tut er nur in dem, was uns die Schrift von Werk und Person Christi zeigt.“[4] Über fundamentalistische Schriftauslegung schreibt er kritisch: „So wird mit der Schrift in falscher Analogie zur Methodik der Naturwissenschaften umgegangen: Ihre Entstehung und Autorität kann scheinbar unter Absehen von ihrer Aussage rational einsichtig gemacht werden durch eine Theorie von der Inspiration.“[5] So wird versucht, auf rationale Art zu beweisen, dass die Schrift Gottes Wort ist. Die Schrift ist dann nicht mehr auf der Grundlage ihrer Mitte – Jesus Christus – Gottes Wort. Durch die Inspiration wird ihr eine Autorität zugesprochen, die außerhalb ihrer Botschaft von Jesus Christus liegt. Die einzig angemessene Haltung wäre infolge dessen, sich der Heiligen Schrift als Ganzer in Demut und Vertrauen kompromisslos unterzuordnen. Es ist deshalb konsequent, dass mit diesem Ansatz alle biblischen Texte gleich wichtig sind und so jede Art von Sachkritik an der Bibel abgelehnt wird. Das geschieht beispielsweise dann, wenn die theologischen Texte der Urgeschichte als buchstäbliche Zeugnisse der Weltgeschichte und naturwissenschaftlicher Erkenntnis gelten und jedes historische, naturwissenschaftliche oder archäologische Argument mit Berufung auf die Irrtumslosigkeit der Schrift abgelehnt wird.[6]

Luther selbst formulierte die lutherische Entgegnung auf eine Schrifthermeneutik, die nicht Christus zum Zentrum hat, wie folgt: „Auch ist das der rechte Prüfstein, alle Bücher zu tadeln, wenn man siehet, ob sie Christum treiben oder nicht, sintemal alle Schrift Christum zeiget, Rom. 3 (21), und S. Paulus nichts als Christum wissen will, i.Kor. 2(2). Was Christum nicht lehret, das ist nicht apostolisch, wenn’s gleich S. Petrus oder S. Paulus lehrete.“[7]

Wenn dies nun die Grundlage unserer lutherischen Schriftauslegung sein soll[8], so ist festzuhalten, dass die Bibel weder ein dogmatisches Lehrbuch noch ein ethisches Gesetzbuch ist, aus dem unter Berufung auf göttliche Autorität die eine oder andere Aussage legitimiert würde. Stets bleibt die Frage bestehen, ob und wie darin der Christus gelehrt wird. Mit Blick auf die biblischen Texte muss immer wieder neu gefragt werden: ‚Was treibt den Christus?‘, ‚Was fördert den Glauben an Christus?‘. So laufen wir gerade nicht Gefahr, unser Fundament zu verlassen, sondern ein solches Vorgehen gewährleistet erst, dass wir unser Fundament Jesus Christus immer wieder neu finden.

Und dieses hermeneutische Prinzip ist kein theoretisches. Wir sind gerufen in den Dienst am Evangelium. Auch das Gesetz ist diesem Dienst verpflichtet, so schreibt Luther: „Denn sintemal[9] alle Gesetze auf den Glauben und die Liebe treiben, soll keines mehr gelten noch ein Gesetz sein, wo es dem Glauben oder der Liebe will zuwider geraten.“[10] Das Evangelium von Jesus Christus zu den Menschen zu tragen, ist der christliche Auftrag. Das Evangelium ist die Liebe Gottes zu allen Menschen und die Vergebung der Sünden um Christi willen, die uns im Glauben aus Gnaden zugeeignet wird. Alles, was dieser guten Nachricht dient, steht im Dienst Christi, und das ist der Grundsinn des Evangeliums, wie es in den biblischen Schriften erkennbar wird.

Nun stellt sich die Frage, wie diese hermeneutischen Überlegungen sich im praktischen Gebrauch erweisen. Wenn ich der Auffassung bin, dass Mose nicht der Autor der fünf Bücher Mose war, widerspreche ich dann dem Zeugnis der Heiligen Schrift und verlasse den Grund der Kirche?[11] Wie sieht es aus, wenn ich anerkenne, dass es unterschiedliche Erzählweisen in den Evangelien gibt, die ich historisch nicht miteinander vereinbaren kann, und mich deshalb an der ein oder anderen Stelle gegen eine historische Lesart entscheide, was sich im Übrigen schon immer in unserer kirchlichen Praxis zeigt?[12] Oder, um es deutlich im Blick auf das aktuell bewegende Thema zu sagen: Was ist, wenn ich sage, dass ich der Ansicht bin, dass 1. Kor 14 und 1. Tim 2 nicht die Ordination von Frauen zum Predigtamt ausschließen und ich stattdessen für eine Praxis der Frauenordination in der SELK eintrete?

Auch hier muss die Frage nach dem Christus das entscheidende Argument sein. Dient es dem Christus, wenn Frauen das Predigtamt verwehrt wird oder hemmt es ihn vielleicht sogar? Es ist wichtig, dass diese Frage in den Mittelpunkt der biblischen Auseinandersetzung gestellt wird, sonst werden wir den Texten nach lutherischem Schriftverständnis nicht gerecht. Ganz gleich wie die persönliche Beantwortung ausfallen mag, auf diese Frage sollte sich lutherisch geeinigt werden können.

Aber es gibt noch weitere Entwicklungen in der Kirche, die Sorgen machen. Einschlägige Stellen werden von manchen Gemeindegliedern und Pfarrern so ausgelegt, dass Frauen nicht nur der Weg zur Kanzel, sondern auch zum Lesepult verweigert wird. Oder es geht noch weiter, dass Frauen der Zugang zu gemeinde- und kirchenleitenden Ämtern verwehrt werden soll. Was ist, wenn mühsam in den letzten Jahren Errungenes wieder in Frage gestellt wird und Veränderungen gestaltet werden, indem in Gemeinden gottesdienstliche Dienste von Frauen in Frage gestellt werden und es so zu Streit kommt oder sich Frauen zurückziehen. Wenn solche „wortwörtliche“ Auslegungen der Heiligen Schrift Raum gewinnen, sehen wir darin fundamentalistische Entwicklungen. Solchen Entwicklungen wollen wir fundamental widersprechen. Denn das führt in eine Kirche, die nicht das Evangelium, nicht Jesus Christus, sondern den wörtlichen Buchstaben in ihrer Mitte stehen hat. Schon Luther hat gewusst, dass das nicht in unserem Sinne sein kann – und schon gar nicht im Sinne Christi!

Bei dem Vorwurf, dass fundamentalistische Tendenzen in der Kirche um sich greifen, geht es um solche Entwicklungen. Wenn nicht mehr die Frage nach Christus im Mittelpunkt der theologischen Auseinandersetzung steht, dann gewinnen weniger gewichtige Fragen an Bedeutung, bis dahin, dass sie den grundlegenden Glaubenswahrheiten zugeordnet werden. Geschieht das, wie derzeit bei der Frauenordinationsfrage, dann ist sowohl Zustimmung als auch Ablehnung zu ihr in einer Kirche nicht denkbar, ganz unabhängig von der gelebten Praxis. Die „Einheit“ der Kirche hat in der Vergangenheit nur deshalb gehalten, weil die Befürworter der Ordination von Frauen nicht dieses Gewicht gegeben haben, sie den Artikel in der Grundordnung tolerierten und es darum verantworten konnten, in einer Kirche Dienst zu tun, die Frauen nicht ordiniert. Wenn der APK nun auf seiner letzten Sitzung erklärt, dass er die Einführung der Frauenordination in einem Teil der Gemeinden aus theologischen Gründen nicht für möglich erachtet, erhält  diese Frage einen hohen theologischen Stellenwert und bestärkt ein aus unserer Sicht fundamentalistisches Argument: Obwohl der APK die Ordinationsfrage bis heute nicht als bekenntnisrelevant eingestuft hat, wird sie nun von einem Teil der Pfarrer als ein Teil des Unumstößlichen verstanden. Daraus folgt für sie, dass die Befürworter nur eine Art Duldungsstatus erhalten. Im Grunde genommen wird erwartet, dass Befürwortende entweder nichts (mehr) zu dem Thema sagen – und schon gar nicht öffentlich – oder die Kirche verlassen. So kommt ein Erleben von Macht bzw. Ohnmacht zum Tragen und der Konflikt wird mit der Perspektive von Gewinnen oder Verlieren ausgefochten. Eine Lösung, die den Kompromiss sucht, wird nicht mehr wirklich angestrebt. Das sollte in einer christlichen Kirche eigentlich keinen Platz haben.

Um also einem fundamentalistischen Umgang mit der Schrift zu wehren, besinnen wir uns doch alle gemeinsam auf unsere lutherischen Prinzipien der Schriftauslegung: Stellen wir den Christus in die Mitte. Lasst uns gemeinsam fragen, was den Christus treibt, und sein Evangelium in die Welt, in die Kirche, in die Gemeinden und zu uns selbst kommen lassen, denn sein Wort wirkt.

Lassen wir uns durch Christus und seine Liebe leiten und weiter darum in guter Weise theologisch streiten und demjenigen, der anders denkt als wir selbst, zuhören und keine bösen Absichten unterstellen.

Dr. Elke Hildebrandt und Noah Rothfuchs
03.09.2025

Literatur

  • Definition „Fundamentalismus“, nach der Wikipedia: Fundamentalismus – Wikipedia (abgerufen am 14.08.2025).
  • Krieser, Matthias: Die Geschichte des Volkes Gottes: Eine Übersicht über die Urgeschichte, die Geschichte Israels und die Kirchengeschichte von der Schöpfung bis zum 20. Jahrhundert mit Zeittafel,Groß Oesingen, 1983.
  • Löhde, Detlef: Was ist ‚Fundamentalismus‘? Was ist ‚Biblizismus‘?, 2025, Was ist „Fundamentalismus“? Was ist „Biblizismus“? – Bekenntnistreu.de (abgerufen am 15.08.2025).
  • Luther, Martin: Luthers Vorreden zur Bibel, hrsg. von Heinrich Bornkamm, 3. Aufl., Gütersloh, 1989.
  • Petition: Petitionen.com – Unterschriften – Vielfalt jetzt – Pro Frauenordination in der SELK (abgerufen am 15.08.2025).
  • Schöne, Jobst: Die Irrlehre des Fundamentalismus im Gegensatz zum lutherischen Schriftverständnis, 1994, Schoene-Fundamentalismus.pdf (abgerufen am 20.08.2025). Zuerst publiziert in: Diestelmann, Jürgen (Hg.): In Treue zu Schrift und Bekenntnis, Festschrift für Wolfgang Büscher, Braunschweig 1994, 171-183. Ein Nachdruck erfolgte in: Schöne, Jobst: Botschafter an Christi Statt. Versuche, Groß Oesingen 1996, 83-93.
  • Theologische Kommission der SELK: Biblische Hermeneutik, 2011, Biblische-Hermeneutik-2011 (abgerufen am 01.09.2025).


[1] Einige SELK-Glieder haben diese Befürchtungen in den Beiträgen unter folgender Seite zum Ausdruck gebracht: Petitionen.com – Unterschriften – Vielfalt jetzt – Pro Frauenordination in der SELK (abgerufen am 15.08.2025).

[2] So z.B. bei Löhde, Detlef: „Was ist „Fundamentalismus“? Was ist „Biblizismus“?“, 2025, Was ist „Fundamentalismus“? Was ist „Biblizismus“? – Bekenntnistreu.de (abgerufen am 25.08.2025).

[3] Fundamentalismus – Wikipedia, abgerufen am 14.08.2025.

[4] Schöne, 1994, 8.

[5] A.a.O., 7.

[6] Vgl. dazu bspw. Krieser, 1983.

[7] Luther, 1989, 216.

[8] Vgl. dazu Biblische Hermeneutik, S. 3: „Als evangelisch-lutherische Christen legen wir die Heilige Schrift im Glauben an Jesus Christus aus, der für uns gestorben und auferstanden ist. Zu ihrer Auslegung beten wir um den Beistand des Heiligen Geistes, weil wir „nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, … (unsern) Herrn, glauben oder zu ihm kommen …“ können. Dabei verlassen wir uns auf die Zusage Jesu Christi, dass sein Geist uns in alle Wahrheit führen und seine Jünger an alles erinnern werde, was er gesagt hat.“ Oder S. 4: „Wir legen die Heilige Schrift im Glauben an Jesus Christus aus, der als der auferstandene Herr seine Kirche auf die heiligen Schriften gründet, indem er seinen Jüngern die Schriften des Alten Bundes öffnet und jene zugleich mit der weltweiten Verkündigung seiner Lehre betraut. Diese Selbstbindung des auferstandenen Christus an die biblischen Schriften ist für die Kirche verpflichtend.“

[9] zumal

[10] a.a.O., 47.

[11] Dass die fünf Bücher Mose nicht von Mose geschrieben wurden, ist wissenschaftlicher Konsens. Sie sind religiöse Texte, die ein wichtiges Zeugnis der Geschichte Israels darstellen, weniger jedoch als historische Tatsachenberichte und mehr als Ausdruck der Erfahrungen Israels mit ihrem Gott Jahwe.

[12] So wird z.B. im Evangelium des Johannes an der Stelle, an denen Jesus bei Matthäus, Markus und Lukas das Heilige Abendmahl einsetzt, die Fußwaschung eingeführt. Letztere wird trotz der herausragenden Stelle in der Passionsgeschichte in der SELK nicht praktiziert, sei es mit der Begründung, dass es reiche, sich am Beispiel zu orientieren, oder mit Bezug darauf, dass es kulturell nicht mehr passe. Da Jesus mit der Fußwaschung ein Gebot zur Nachahmung verknüpft hat, müsste sie konsequenterweise praktiziert werden – jedenfalls, wenn hier eine historische Lesart als bekenntnisgemäß angesehen würde.

Das Beitragsbild wurde von der Redaktion gestaltet.

26 Gedanken zu „Fundament Jesus Christus – aber nicht Fundamentalismus“

  1. Liebe Elke, liebe Noah,
    ich danke Euch sehr für diesen tollen und klärenden Artikel! Nur wenn wir Christus in die Mitte stellen, uns also nach seinem Vorbild im Evangelium ausrichten, werden wir und wird Kirche Salz der Erde und Licht der Welt sein – und Christus selbst hat gerade nicht strikt nach dem Buchstaben der damals geltenden jüdischen Gesetze und Ordnungen gehandelt, sondern um das Wohl der Menschen willen Gesetze, Gebote und Ordnungen weit – für die jüdische Welt damals ungehörig und empörend weit – ausgelegt (siehe Markus 2. 13-17, Markus 2, 23-28, Markus 3, 1-6), und Verstöße gegen Gebote vergeben (Joh. 7, 53 – 8, 11). Der Sabbat ist für den Menschen da, sagt Jesus selbst. Was also dient dem Wohl der Menschen in der SELK – das sollte unsere Kernfrage sein, und wie würde Jesus Christus selbst die Frage der Frauenordination heute beantworten?

  2. Danke. Wer den Konsens sucht sollte hier zustimmen können. Wer das nicht kann, könnte ähnlich einfühlsam die eigenen Argumente darlegen und sich auf einem gemeinsamen Weg machen.

  3. Sehr geehrte Frau Dr. Hildebrandt, sehr geehrter Herr Rothfuchs,

    warum bleiben Sie eigentlich in einer Kirche, die nach einer Person benannt wurde, welcher aus Ihrer Sicht ein extremer „Fundamentalist“ sein müsste? Für Luther war die Bibel „des Heiligen Geists eigen, sonderlich Buch, Schrift und Wort“ (Weimarer Ausgabe (WA), Bd. 38, S. 340) und „Denn nicht allein die Worte, sondern auch die Weise zu reden, deren sich der Heilige Geist und die Schrift bedienet ist von Gott“ (zu Ps. 127,3; WA, Bd. 4, S. 1960). „Die Heiligen haben in ihren Schreiben irren und in ihrem Leben sündigen können. Die Schrift kann nicht irren,…“ (aus: Vom Missbrauch der Messe WA, Bd. 19, S. 1073). Es ließen sich noch weitere in Ihren Ohren bestimmt „schaurige“ Zitate aufführen. Luther hat in seiner Genesisvorlesung eindeutig ein historisches Verständnis der Urgeschichte (1. Mose 1-11) vertreten. Sollten Sie sich da nicht klar von Luther und den Theologen der lutherischen Orthodoxie distanzieren, weil diese so „fundamentalistisch“ waren? Es ist Ihr gutes Recht, es bzgl. dem Fundamentalismus so zu sehen, wie Sie schreiben, aber Sie sollten m.E. nicht den Eindruck erwecken, in Ihrem Verständnis Luther auf ihrer Seite zu haben und dass es nur eine neuerliche Entwicklung wäre, die nun auf einmal so zum „Fundamentalismus“ tendiert.

    Mit freundlichen Grüßen

    Wolfgang Hörner

    1. Sehr geehrter Herr Hörner,
      es fällt mir schwer, Ihnen zu folgen. Scheinbar gab es ein Missverständnis: Wir stellen uns nicht gegen das lutherische Schriftprinzip. Genau wie Luther sind wir der Überzeugung, dass Christus die Mitte der Schrift ist: „Was Christum nicht treibet, ist nicht apostolisch, wenngleich St. Paulus oder St. Petrus es lehrte.“ Ohne diese Überzeugung hätte die Umstellung des Kanons wenig Sinn gehabt.
      Dass er neben anderen die Urgeschichte historisch verstand, mag richtig sein, ist aber auch seiner Zeit geschuldet. Natürlich gibt es biblische Texte, die wir auch heute noch historisch lesen und die auch historische Ereignisse schildern. Die Bibel ist nunmal ein historisches Buch, das als historische Quelle durchaus wahrzunehmen ist. Eine moderne Geschichtswissenschaft gab es zu Luthers Zeiten noch nicht, sodass natürlich auf die Quellen zurückgegriffen wurde, die man zur Hand hatte – auch solche, von denen wir heute wissen, dass sie nicht historische Tatsachenberichte sind. Das bedeutet aber nicht, dass Luther Fundamentalist war. Die Voraussetzungen für eine fundamentalistische Weltanschauung gab es schlicht noch nicht – nicht umsonst kommt der Begriff erst im 19. Jh. auf. Ich muss nicht alle Sichtweisen Luthers übernehmen, um mich Lutheraner zu nennen, im Gegenteil: Luthers vorderstes Anliegen war, das Evangelium zu den Menschen zu tragen. In seiner Zeit war dazu die Abkehr von dem römischen Lehramt mit all seinen Übeln und die Rückkehr zu den biblischen Schriften essenziell. Und heute, sage ich, ist das ähnlich: Damit das Evangelium zu den Menschen kommt, müssen wir uns nicht von der Schrift abwenden, sondern auf ihre Mitte schauen und von ihr aus die Schrift auslegen.
      Ich sage auch nicht, die Schrift würde irren, wenn ich die Urgeschichte nicht historisch verstehe. Sondern ich lese sie von Christus her als Ausdruck der Liebe Gottes, die sich im Regenbogen bei Noah, bei der Verheißung an Abraham und am Auszug aus Ägypten für das Volk Israel immer wieder gezeigt hat. Die Bibel ist wahrhaftig und wahr. Sie ist keine historische oder naturwissenschaftliche Welterklärung.
      Mit dieser Ansicht sind wir übrigens in guter lutherischer, ja in SELK-Gemeinschaft mit Altbischof Jobst Schöne. Dessen Text ist sehr lesenswert (s. Literaturverzeichnis). Und Herr Schöne stand sicher nicht im Verdacht, ein liberaler Theologe zu sein.
      Die Zitate Luthers, die Sie anführen, sind für mich nicht „schaurig“. Sie sind ein Zeugnis seiner Zeit und im Kontext der Theologie Luthers eine Inspiration für mein eigenes Studium. Es gibt Seiten Luthers, von denen ich mich distanzieren würde. Seine Hermeneutik in der Schriftauslegung gehört nicht dazu.
      Mit freundlichen Grüßen
      Noah Rothfuchs

      1. Der Glaube unserer Gemeindeglieder ist doch verschieden. Wir haben ja als Gegenüber eine Person: Jesus Christus und den Heiligen Geist. Beide begleiten uns doch im Glauben, so dass sich unser Glaube im Laufe des Lebens durch Gottes Hilfe ändert. Aus dem Saulus wurde doch auch ein Paulus durch das Eingreifen von Jesus.

        Wichtig ist doch: wie werden wir Kinder Gottes, wie haben wir Verbindung zu Jesus und wie leitet uns Jesus auf seinem Weg durch unser Leben. Damit wir am Ende der Zeit zu Jesus in die Ewigkeit gehen. Dazu müssen wir nicht alles verstehen, aber wir sollen die Liebe nicht vergessen und die Ängste und Nöte des Mitchristen oder der Mitchristin verstehen und miteinander und füreinander beten.

        Wenn die Stürme des Lebens kommen, dann ist es doch gut, dass das Haus unseres Lebens ein gutes Fundament hat und das Fundament ein fester Fels ist.

        Vor vielen Jahren hat mein Jugendpastor uns eine gute Hilfe gegeben. Es gibt helle Bibelstellen und dunkle. Wir müssen die dunklen Bibelstellen, die wir nicht verstehen auch gar nicht verstehen. Das ist nicht schlimm. Später hilft uns der heilige Geist durch die hellen Bibelstellen immer mehr von den vorher dunklen Bibelstellen zu verstehen. Das hat im Bibelkreis gut funktioniert. Wir werden die für uns wichtigen Bibelstellen durch die Hilfe des Heiligen Geistes verstehen.

        Manches müssen wir nicht verstehen, z.B. ob der Schöpfungstag 24 Stunden oder 1000 Jahre hat. Um Kind Gottes zu sein, ist das unwichtig. Wir können Gott aber dazu auch im Gebet eine Frage stellen und werden dann auch eine Antwort bekommen.

  4. Bemerkenswert im übrigen das oben angeführte Zitat von Luther: „Was Christum nicht lehret, das ist nicht apostolisch, wenn’s gleich S. Petrus oder S. Paulus lehrete.“ Was immer Paulus im Auge gehabt haben mag, als er in seinen Briefen die oft gegen die Frauenordination angeführten Stellen schrieb – kann aus heutiger Sicht und in der heutigen Gesellschaft in Deutschland Diskriminierung im Sinne Christi sein?

  5. Mit großer Sorge nehmen viele Gemeindeglieder der SELK wahr, dass sich auch in unserer Kirche Fundamentalismus zunehmend verbreitet. Eigentlich war er latent schon immer da, aber jetzt verstärkt er sich gerade und findet auch neue Anhänger.
    Leider hat er auch in unser neues Gesangbuch Einzug gehalten. Damit wir uns nicht missverstehen, das neue Gesangbuch enthält viele schöne, auch neuere Lieder und Texte. Vieles ist aber auch aussortiert worden. Und an einer Stelle wird dies besonders deutlich. In der Epistellesung zum 20. Sonntag n. Trinitatis hat die SELK nicht die Epistel eingesetzt, die allgemein in der neuen Reihe dran ist, sondern ist davon abgewichen. So hören SELKis diese Bibelstelle nicht:

    „Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid durch unseren Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinernen Tafeln, sondern auf fleischernen Tafeln der Herzen.
    Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott. Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind ist von Gott, der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes.
    Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“

    Diese Stelle der Bibel will uns doch gerade vor jeglichem Fundamentalismus schützen. Ich frage mich, warum diese Bibelstelle in der SELK nicht gelesen werden soll. Ist sie zu unbequem? Werden in der SELK einige Bibelstellen überbetont und andere bewusst weggelassen? Dann ist diese meine Kirche gar nicht so bibeltreu, wie sie sich gibt.

    Sehr schade finde ich auch, dass zu Erntedankfest Jesaja 58 gestrichen wurde.
    „Brich dem Hungrigen dein Brot….“
    War das zu radikal? Zu politisch?
    Es ist eine wunderbare Dichtung, eine wunderbare Verheißung, diejenigen die ins Handeln kommen, mit Segen zu überschütten.
    Lest es einmal, schreibt es auf, hängt es euch hin. Es ist so schön gedichtet. Mit so schönen Bildern. Aber unsere Kirche enthält es uns vor.

  6. Ja, Jesus Christus ist die Wahrheit, die Mitte der Schrift und damit der Schlüssel zu ihrem richtigen Verständnis, darin stimmen wir überein. Sein Evangelium ist das Fundament des Glaubens, der Hauptartikel der christlichen Lehre. Ihm hat der der Allmächtige alle Macht im Himmel und auf Erden übertragen; ohne ihn kann niemand Gott finden und selig werden.
    Was bedeutet das aber für biblische Aussagen und Weisungen, die nicht direkt und ausdrücklich die Evangeliumsbotschaft bezeugen? Zu Recht weist der Beitrag die im schlechten Sinne fundamentalistische Erwartung zurück, der Mensch könne die Inspiriertheit der Bibel rational beweisen und müsse daher alle ihre Aussagen als gleich wichtig betrachten. Das würde ja bedeuten, die Heilige Schrift dem Beurteilungsmaßstab der menschlichen Vernunft zu unterwerfen. Dagegen fordert der Beitrag, dass die Evangeliumsbotschaft im engeren Sinn zu einem Beurteilungsmaßstab der Heiligen Schrift gemacht werden solle – so als handele es sich um eine Lehre außerhalb der Bibel, die zu einer christlichen Bibelkritik berechtige. In beiden Fällen ist einzuwenden: Es steht uns nicht an, die Autorität der Bibel nach irgendwelchen außerbiblischen Maßstäben kritisch zu beurteilen, denn es verhält sich doch umgekehrt: Die Bibel ist Gottes Wort, das uns beurteilt, und wir tun gut daran, uns das gefallen zu lassen und demütig auf ihre ganze Botschaft zu hören. Dass Christus die Mitte der Schrift und sein Evangelium deren Hauptbotschaft ist, könnten wir gar nicht sicher wissen, ohne der Bibel als Ganzer Glauben zu schenken. Darum dürfen wir uns nicht Aussagen über Gottes Liebe selektiv aus ihr herauspicken wie Rosinen aus einem Kuchen und den Rest für nicht inspiriert, irrtumsbehaftet oder irrelevant abtun. Dass das Evangelium der „Hauptartikel“ christlicher Lehre ist, weist doch darauf hin, dass es auch noch vieles andere gibt, was geglaubt, gelehrt und bekannt werden soll, auch wenn es nicht dieselbe Wichtigkeit hat. Der Herr Jesus Christus selbst hat den Aposteln aufgetragen: „Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe!“ (Mt 28,19). Die ersten Christen blieben „beständig in der Lehre der Apostel“ (Apg 2,42). Und die SELK bezeugt in ihrer Grundordnung mit dem lutherischen Bekenntnis: „Sie ist gebunden an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen…“ (Artikel 1.2) Der Herr Jesus Christus selbst lehrte die Irrtumslosigkeit der Schrift hinsichtlich ihres damals existierenden Kanons des AT: „Die Schrift kann doch nicht gebrochen werden.“ (Joh 10,35) Und er machte deutlich, dass das Wort seiner Apostel dieselbe göttliche Autorität hat wie sein eigenes Wort: „Wer euch hört, der hört mich.“ (Lk 10,16) Paulus, der spätberufene Apostel, mahnte: „So steht nun fest und haltet euch an die Überlieferungen, in denen ihr durch uns unterwiesen worden seid, es sei durch Wort oder Brief von uns.“ (2. Thess 2,15) Und vom Alten Testament bezeugte er, dass es in der vorliegenden schriftlichen Form seiner Bücher „von Gott eingegeben“ (lat. „inspirata“) ist (2. Tim 3,16).
    Wie lässt sich das auf ein rechtes Verständnis der für unsere theologische Kontroverse bedeutsamen Schriftstellen in 1. Kor 14 und 1. Tim 2 anwenden? In einem ersten Schritt muss man sich darüber verständigen, was denn das vom Text Gemeinte ist; dabei helfen durchaus rationale Werkzeuge wie Grammatik, Semantik und Zeitgeschichte sowie die Berücksichtigung des Zusammenhangs und der Beziehung zum gesamtbiblischen Kontext. Auch wenn es immer wieder abgestritten wird: Das von Paulus Gemeinte kann nicht viel anders beschrieben werden als in der Weise, dass Paulus eine Verkündigung von Frauen in der christlichen Gemeinde zurückweist, mit der sich Frauen Autorität über Männer anmaßen. In einem zweiten Schritt fragen wir: Handelt es sich hier um die persönliche Meinung des Apostels oder um göttliche Lehre? 1. Kor 14,37 beantwortet diese Frage eindeutig. Bei einem dritten Schritt wäre zu fragen: Kann diese apostolische Weisung auf einen bestimmten Personenkreis, eine bestimmte Zeit oder bestimmte Situationen beschränkt werden? Das wird zwar immer wieder behauptet, aber dafür werden dann nur außerbiblische Argumente oder unbeweisbare exegetische Hypothesen angeführt. Der Kontext selbst bezeugt, dass diese Weisung „in allen Gemeinden der Heiligen“ gilt (1. Kor 14,33) und dass sie auf einer unumkehrbaren Zuordnung der Geschlechter beruht, die Gott mit der Schöpfung für die Menschheit geordnet hat (1. Tim 2,13), welche mehrfach in der Bibel bestätigt wird. Ein vierter Schritt schließlich betrifft die im Beitrag behandelte Zuordnung dieser Weisung zum „Hauptartikel“, also zum Glaubensfundament des Evangeliums. Epheser 5,22-33 beschreibt das Verhältnis von Mann und Frau in der Ehe idealtypisch als Gleichnis für das liebevolle Verhältnis zwischen Christus und der Christenheit: Der Mann soll seiner Frau zu einem Christus werden, und die Frau soll das demütig anerkennen. Für die beiden betrachteten Bibelstellen kann in Analogie geschlussfolgert werden: Was in der natürlichen Familie gilt, soll auch in der Gemeinde Gottes gelten; die Frauen sollen sich jenen Männern unterordnen, durch die Christus in der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung der Gemeinde begegnet (1. Kor 14,34).
    Zum Abschluss möchte ich noch meine Verwunderung darüber äußern, dass bei den Literaturangaben am Ende des Beitrags auf mein dünnes Heft von 1983 „Die Geschichte des Volkes Gottes“ verwiesen wird, das nicht mehr lieferbar ist. Ich habe mich inzwischen sehr viel ausführlicher und aktueller zur biblischen Hermeneutik geäußert in dem Buch „Warum die Bibel missverstanden wird“, das 2020 in zweiter, überarbeiteter Auflage im Sola-Gratia-Verlag Rotenburg (Wümme) erschien.
    Matthias Krieser

    1. Lieber Herr Krieser,
      ich danke Ihnen für Ihren Kommentar. Das Evangelium als hermeneutische Folie zum Bibelverständnis ist natürlich aus der Bibel zu entnehmen und immer wieder von der Bibel her zu verstehen. Damit soll auch keine christliche Bibelkritik im Sinne des Untergrabens biblischer Autorität geschehen (ohne biblische Autorität gäbe es diese Folie schließlich gar nicht), sondern es wird ein immer wieder neu zu justierender Blick auf das Verständnis der biblischen Schriften ermöglicht, der sich am Evangelium und an den Menschen, für den das Evangelium bestimmt ist, orientiert. Die Kritik ist also nicht an der Bibel als Heilige Schrift, sondern die Art und Weise, wie wir sie lesen, verstehen und verkündigen. Es ist keine Kritik an der Bibel, es ist eine Kritik an uns. Das Evangelium als „Beurteilungsmaßstab“ ist eben nicht eine „Lehre außerhalb der Bibel“, sondern der innere Schlüssel zum Verständnis der Heiligen Schrift, mit dem die Decke von Moses Gesicht genommen wird.
      Dass wir uns in den Literaturangaben auf Ihr Werk von ’83 beziehen und nicht auf das Neuere, liegt schlicht daran dass (zumindest ich, ich denke aber wir beide) von dem neueren Werk keine Kenntnis hatten und es sich lediglich um eine Beispielnennung handelte.
      Gruß
      Noah Rothfuchs

  7. Ergänzend zu den hier zitierten Ausführungen zum Fundamentalismus von Bischof Jobst Schöne sei hier bemerkt, dass dieser ein entschiedener Gegner der Frauenordination war. So schreibt er in seinem Hirtenbrief von 1994: „Das Bild von Christus als dem Hirten und Bischof unserer Seelen (1. Petrus 2,25) verblaßt, wenn nicht in seinem Namen und Auftrag Hirten reden und handeln, die er als seine Botschafter (2. Korinther 5,20) ausgesandt hat. Erfahrungen und Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen, die von Menschen abgeleitet und auf sie, speziell auf Frauen, bezogen sind, können dann schnell ein neues Gottes- und Christusbild formen.“
    Die Ablehnung der Frauenordination resultierte für Bischof Schöne also nicht aus einem fundamentalistischen, sondern einen zutiefst lutherischen Schriftverständnis.

  8. Dies ist mein letzter Kommentar auf dieser Seite, da ich nicht glaube, dass eine Seite, die jeweils andere noch wird überzeugen können. Ich möchte aber noch festhalten, dass ich es sehr befremdlich fände, wenn es auf der Synode zu einer Entschließung gegen einen angeblichen „Fundamentalismus“ käme, der m.E. nicht nur auch Luther und die Lutherische Orthodoxie treffen würde – das wäre schon seltsam bei einer lutherischen Bekenntniskirche, die sich bisher gerade auf diese Theologen berufen hat -, sondern genauso Jesus und die Schreiber des Neuen Testaments.

    Angesichts des Beitrages kann ich mir kaum vorstellen, wie/ob die Verfasser folgenden Bibelstellen zum Selbstverständnis der Heiligen Schrift voll zustimmen können: 2. Tim. 3,16f; 2. Petrus 1,20f; 1. Thess. 2,13; Joh. 10,35; 1. Kor. 2,13; Apg. 1,16. Es ließen sich noch zahlreiche weitere Stellen nennen. Hier kann man z.B. die Bibelstellen bequem nachschlagen: https://www.bibleserver.com/

    Zum historischen Verständnis der Urgeschichte und z.B. zu Jona im Fischbauch von Jesus und den neutestamentlichen Autoren: Mt. 12,40; Lk. 17,26f; 1. Mose 3,20; Lk. 3,23-38; Apg. 17,26; 1. Kor. 15,20-22.45; Röm. 5,12,18f; Hebräer 11; 1. Petrus 3,20f; 2. Petrus 3,5-7; 1. Tim. 2,13f. Es ließen sich auch hier noch viele weitere Stellen aufzählen.

    Zum Verständnis von „Was Christus treibet …“ im Kontext sei noch auf folgende Links hingewiesen:

    https://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/archiv?tx_pvpfarrerblatt_pi1%5Baction%5D=print&tx_pvpfarrerblatt_pi1%5Bcontroller%5D=Item&tx_pvpfarrerblatt_pi1%5BitemId%5D=4147&cHash=33f5b8a639b1a3157be781b2ba9522ad

    https://lutherkonvent.ekir.de/Archiv/2016_ML_Christum.html

    Dass bei einem „fundamentalistischen“ Bibelverständnis alle Aussagen der Bibel gleich wichtig sein müssten, wird m.E. durch zahllose konservative lutherische Pfarrer widerlegt, angefangen bei Luther selbst.

    Mit freundlichen Grüßen

    Wolfgang Hörner

    1. Hallo lieber Wolfgang,
      da wir uns bereits vor Jahren in Stuttgart einmal kennengelernt haben, verwende ich hier doch das einfach mal das Du. Danke für deinen, wie du schreibst, nun letzten Beitrag hier auf dieser Seite. Ich möchte an der Stelle nicht auf die von dir so zahlreich genannten Bibel- und Texthinweise eingehen. Das können andere um einiges fundierter. Viel mehr möchte ich ’nur‘ auf den ersten Satz deines Kommentars antworten. Du schreibst: „Dies ist mein letzter Kommentar auf dieser Seite, da ich nicht glaube, dass eine Seite, die jeweils andere noch wird überzeugen können.“
      Der erste Gedanke, der mir dabei sofort in den Sinn kam. Darum geht es doch gar nicht. Aus meiner Sicht jedenfalls, uns gegenseitig überzeugen zu wollen und auch zu müssen! Nein, warum auch? Denn in einer Kirche, auch der SELK, hat und wird es immer konservativere und liberalere Christenmenschen geben. Und ALLE haben und wollen CHRISTUS in ihrer Mitte und dass, wie wir alle glauben, nur „Allein aus Gnade“ !

      Es geht doch um das Miteinander; das Akzeptieren, nicht Verurteilen, dass es andere Verständnisweisen gibt, als die meinige und eben auch die andere. Und das hoffe, wünsche und bete ich auch aus ganzem Herzen für „unsere und gemeinsame“ SELK!

      Abschließend, nun doch auch eine Bibelstelle Jesu:
      >> Die Frage nach dem höchsten Gebot, Markuss,12, 28-31
      (auch Mt. 22,35-40 und Lk. 10,25-28)

      28Und es trat zu ihm einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? 29Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, 30und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft.« Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.« Es ist kein anderes Gebot größer als diese.

      Mt 22,V40 – In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.
      Lk 10,V28 – Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben.

  9. Liebe Frau Krieser,
    dass Altbischof Schöne kein Befürworter der Frauenordination war, das ist uns natürlich bewusst gewesen. Und deshalb ist er als Bezugsgröße ja so interessant gewesen. Unsere Beobachtung in der laufenden Debatte ist, dass es eine vermehrte Hinwendung zum Fundamentalismus auch in SELK-Kreisen gibt, die teilweise bei der Ablehnung der Frauenordination in Argumentationsweisen heute zutage treten. Das bedeutet nicht, dass nicht auch eine Ablehnung der Frauenordination ohne fundamentalistisches Schriftverständnis möglich wäre (wie sie in ihrem Kommentar ja auch anklingen lassen), insofern wenden wir uns in diesem Text auch nicht grundsätzlich gegen alle, die die Frauenordination ablehnen. Stattdessen möchten wir eine fundamentalismusfreie Diskussion einfordern. Mit Jobst Schöne und Martin Luther beziehen wir uns dabei auf zwei auch in konservativen Kreisen angesehene Größen, um aufzuzeigen, dass wir in diesem Anliegen nicht gegen, sondern mit unserer Tradition sprechen wollen – auch wenn Herr Schöne in der Sachfrage der Frauenordination eine andere Position einnahm, als ich es tue.
    Gruß
    Noah Rothfuchs

  10. Lieber Herr Rothfuchs,
    ich meine, es bringt uns nicht weiter, wenn wir lang und breit darüber diskutieren, wie der Begriff „Fundamentalismus“ inhaltlich zu füllen ist und wie nicht. Hier lassen sich Dinge leicht drehen und wenden, wie sie gerade passen. Die grundlegenden Fragen/Probleme/Gräben sind in diesem Forum ja immer wieder an verschiedenen Stellen aufgeploppt:
    1. Soll die Frage „Frauenordination in der SELK – ja oder nein“ in erster Linie theologisch entschieden werden – oder in erster Linie basisdemokratisch/mehrheitlich? Wobei diese Fragen eigentlich durch den letzten APK und auch vorige APKs hinreichend beantwortet wurden – eindeutig zu Ungunsten der Einführung der FO zu diesem Zeitpunkt. Es bleibt nur noch die Frage, ob doch noch einmal für einen klar begrenzten Zeitraum gemeinsam in der Pfarrerschaft intensiv theologisch gearbeitet werden sollte um zu schauen, ob man nicht doch noch auf einen gemeinsamen Nenner kommt.
    2. Wie sind Mehrheiten in der SELK generell zu gewichten? Konkret: Warum wird eine eindeutige Mehrheitsentscheidung im APK von Befürwortern der FO angefochten, aber eine zu diesem Zeitpunkt nicht eindeutig festzustellende angebliche Mehrheit von Gemeinden/Gemeindegliedern pro FO stärker gewichtet?
    3. „Müssen“ Befürworter der FO tatsächlich so schnell wie möglich aus der SELK ausscheiden – ob friedlich oder unfriedlich -, wenn die Einführung der FO für die nächsten Jahre nicht in Sicht sein sollte? Konkret ist an die vielen Gemeinden zu denken, in denen es kein 100%iges Pro-FO gibt, sondern eine kleinere oder größere Minderheit von Gliedern, welche die SELK nicht verlassen wollen, aber in ihrem Heimatort keine andere bekenntnistreue lutherische Kirche zur Auswahl haben und dann nur noch selten bis gar nicht mehr die Gottesdienste besuchen können. Das sind ganz überwiegend die Stillen im Lande, die nicht in Umfragen vorkommen und auch keine großen Aktionen starten. Aus dem NT wissen wir aber, dass auf diese Schwachen besonders Rücksicht genommen werden muss. Ganz zu schweigen von den finanziellen Folgen, welche die gesamte Kirche betreffen. Ich meine, da wäre es doch wesentlich einfacher und auch von der Liebe her geboten, wenn diejenigen SELK-Frauen, die gerne Pastorin werden möchten, dies in der Landeskirche tun. Denn ihre Zahl dürfte doch wesentlich kleiner sein als die der still Leidenden, die dann ihre langjährige geistliche Heimat verlieren.
    4. Angesichts der schrumpfenden Finanzen werden wir in Zukunft wohl mehr Pfarrer/Pfarrdiakone im Ehrenamt beschäftigen müssen, damit die geistliche Versorgung einigermaßen aufrecht erhalten wird. Das ist ein hohes Maß an zusätzlicher Belastung für die Betreffenden. Es ist zu fragen, wie sich Frauen, die häufig durch Ehe, Mutterschaft, Kinder und Berufstätigkeit gebunden sind, dann noch für einen Pfarrdienst Zeit und Kraft haben wollen?

    Das alles will gut bedacht sein.

    Viele Grüße
    Angelika Krieser

    1. Liebe Frau Krieser,

      der APK hat mit seinen Beschlüssen ein persönliches Meinungsbild der Teilnehmer erstellt. Die Frage der Bekenntnisrelevanz und ob beide Lehrmeinungen weiter gelten, wurde aber nicht bearbeitet und die Situation der Kirche offensichtlich nicht ausreichend mit einbezogen. Damit hat der APK leider nicht besonders viel zur Klärung der aktuellen Fragen beigetragen. Dazu habe ich einen offenen Brief geschrieben, der auch auf mitten-auf-der-selk veröffentlicht wurde.

      Ob eine theologische Weiterarbeit (warum nur die Pfarrer, wir haben auch andere Menschen in der Kirche, die theologische Kenntnisse habe, Gottesdienste und Hauskreise leiten, Theologische Bücher schreiben etc.?) noch weiterführt, bezweifele ich. Es gibt keine eindeutigen Bibelstellen zu dem Thema, es wird immer unterschiedliche Auslegungen geben.

      Die Befürworter der Frauenordination wünschen einen Kompromiss in der Form der Szenarien 4 oder 5. Es sollen möglichst viele Menschen in der SELK eine Heimat behalten. Es ist für mich keine gute Idee, der einen oder anderen Gruppe das Verlassen der Kirche vorzuschlagen. Das viele Menschen mit der aktuellen Situation nur schwer umgesehen können, belegen die Voten (wo sie abgebeben werden durften) und die Petition. Es geht nicht um eine Abstimmung der Mehrheit, sondern um das Wahrnehmen der unterschiedlichen Positionen. Unter den Befürwortern sind beispielsweise auch viele Schwache deren Meinung in ihren Gemeinden nicht gehört wird. Viele Befürworter der Frauenordination ertragen die Situation seit vielen Jahren, eine viel zu große Zahl ist leider schon gegangen.

      Zu 4. hat Frau Heß schon einiges Gutes geschrieben. Frauen übernehmen schon heute viele zeitintensive Aufgaben in unseren Gemeinden. Es gibt Pfarrerinnen, die eine große Familie haben und eine wunderbare Arbeit in ihren Gemeinden machen, es gibt viele mögliche Lösungen in dem Bereich.

      Wie sie zurecht beschreiben, gilt es viele Situationen im Blick zu behalten. Dazu gehört aber auch die der Frauen, die sich zum Pfarramt berufen fühlen und auch der Menschen, die in der SELK für wichtig sehen, dass auch Frauen Pfarrerinnen werden dürfen. Keine/r sollte gehen müssen, sondern alle ihre Heimat in unserer Kirche behalten können.

      Thomas Hartung

  11. Liebe Geschwister,
    auf diesen „Aufbruch“-Seiten gibt es viel Interessantes zu lesen und zu lernen, und ich habe erfahren, wie die Sache aus den verschiedenen Sichten sich darstellt – Danke dafür!
    Da ich weder Theologe noch eingearbeiteter Laie bin, überfordert mich manches auch.
    Eines habe ich nicht gefunden (aber vielleicht übersehen?): Dass jemand unter einem Argument eines anderen seine Meinung in irgendeinem Punkt geändert hätte.
    Gott der Heilige Geist überwinde unsere Schwachheit und unseren Hochmut und unseren Richtgeist, und gebe uns Glaube und Demut und Liebe!
    In unserer Gemeinde haben wir oft und oft um Frieden und Einheit für unsere kleine SELK und die ganze Kirche Jesu Christi gebetet. Das tröstet mich und gibt mir Hoffnung!
    Herzlichen Gruß aus Hannover,
    Bodo Hauenschild.

    1. Lieber Herr Hauenschild,

      für viele Gegner der FO ist ein Kompromiss in dieser Angelegenheit schwierig: Viele von uns fühlen sich durch das für uns klare und eindeutige Zeugnis der Heiligen Schrift in vielen Stellen des NT und AT gebunden, d.h. für uns ist es eindeutig nicht Gottes Wille, dass Frauen Pfarrerinnen sein dürfen. Es ist für uns ungefähr so wie an der roten Ampel einer stark befahrenen Straße: Jemand, der neben uns steht, fragt uns, ob er jetzt nicht die Straße überqueren dürfe und ob wir nicht mitkommen wollen. Sollen wir ihn dazu ermutigen, um ja nicht lieblos oder intolerant zu erscheinen, um auch seine Meinung gelten zu lassen, damit er in Freiheit seine eigenen Erfahrungen machen kann? Die Antwort darauf kann für uns doch nur ganz klar „Nein“ lauten – um Regeln nicht zu brechen und unseren Nächsten und uns selbst nicht in Gefahr zu bringen.

      Trotzdem gibt es auch für uns sehr wohl etwas zu lernen. Z.B. können viele Dienste, die das NT für Frauen beschreibt, in unseren Gemeinden noch mehr ins Licht gerückt werden, z.B. dass die älteren Frauen die jüngeren zum praktischen Alltagsleben als Christinnen anleiten. Dazu können auch seelsorgerliche Gespräche unter Frauen gehören, die mitunter mit dem Gemeindepfarrer nicht gut möglich sind. Hier könnte es auch entsprechende Ausbildungen geben. Frauen können auch Neulinge im Glauben außerhalb des Gottesdienstes unterweisen, z.B. in Glaubenskursen, Hauskreisen etc. Paulus hat sich auch von einem Zeltmacher-Ehepaar Näheres von Jesus Christus erzählen lassen. Da gibt es auch ein weites Feld.
      Der allerwichtigste Dienst einer Frau ist jedoch – sofern ihr das von Gott geschenkt wird – der einer Mutter. Eine Gemeinde braucht nicht nur Pastoren, die Gottes Wort recht verkündigen und die Sakramente verwalten, sondern ebenso Mütter, welche ihren Glauben an die nächste Generation weitergeben. Auf diese Weise sind sie ein unerlässliches Kettenglied, damit das Gotteslob auf dieser Erde immer weiter klingt. Das ist nicht genug wertzuschätzen und zu unterstützen. Muttersein und Gemeinde-Hirte-Sein hat viele Parallelen: Auf beiden Seiten die totale Hingabe bis zur Selbst-Aufgabe, die weder nach einer 40-Stunden-Woche noch nach einem guten Gehalt fragt, auf beiden Seiten ein Kampf zwischen Leben und Tod (bei der Mutter unter der Geburt, beim Pastor im beständigen geistlichen Kampf um seine Gemeindeglieder). Und wem das leibliche Muttersein nicht geschenkt wurde, der hat in einer Kirchengemeinde viele Gelegenheit zur geistlichen (Groß-)Mutterschaft!

      Zu lernen für uns alle gibt es auch dies: Jeder Dienst in der Gemeinde – ob Kirche reinigen, Kindergottesdienst halten oder Predigen – wird für das gesamte Gemeindeleben dringend gebraucht. Wir brauchen ja auch alle Organe und Glieder an unserem Leib, nicht nur Herz und Gehirn.

      Herzliche Grüße aus Berlin
      Angelika Krieser

  12. Lieber Herr Krieser,

    wenn Menschen biblische Stellen unterschiedlich lesen – Wer entscheidet dann, wie es zu lesen und zu leben ist? Es gibt tatsächlich viele biblische Stellen die unterschiedlich interpretiert werden und wer entscheidet hier was die richtige Auslegung ist? Kann jemand sagen: So wie ich die Bibel lese und verstehe ist richtig und die Anderen irren? Und was ist, wenn das mehrere sagen?

    Zu ihrer Auslegung von 1. Kor 14, 1. Tim 2, Epheser 5, 22-33 habe ich an anderer Stelle schon viel geschrieben. Wer hier entscheidet was richtig oder nichts so richtig ist, bleibt wie eben geschrieben offen.

    Was mich nach dem von Ihnen Geschriebenen sehr interessieren würde, ist wie sie die Bücher einschätzen, die ihre Schwester veröffentlicht – darf die ein Mann lesen?

    Für das von Ihnen beschriebene Herauspicken habe ich ein Beispiel. Das Pfarramt nur für Männer möglich ist wird immer wieder damit begründet, dass die Apostel auch alle Männer waren. Wenn aber die Pfarrer dem Apostelamt folgen sollten, gibt es noch andere Kriterien die die Bibel benennt:
    In Matth. 10, 5-15, Luk. 10, 1-12 und Mk. 6, 7-13 werden die Apostel von Jesus zu Besitzlosigkeit und Wanderschaft aufgefordert. Dieser Aufforderung folgen unsere Pfarrer nicht nach.

    Die Apostel starteten ihr Amt nach der Berufung durch Jesus. Unsere Pfarrer müssen Abitur haben, 3 alte Sprachen lernen und ein Hochschulstudium inkl. Prüfungen absolvieren. Das ist gut und richtig so, Apostel hatten aber einen anderen Weg. Es gab damals Pharisäer und Schriftgelehrte, die ihre theologische Ausbildung hatten, Jesus hat Handwerker etc. ausgewählt.

    Warum sollen die Pfarrer also Nachfolger der Apostel sein, wenn sie nur das Kriterium „Mann“ erfüllen, andere wichtige und auch von Jesus bestimmten aber nicht?

    Die Begründung, dass nur Männer Pfarrer werden dürfen, steht an keiner Stelle eindeutig in der Bibel, sondern entsteht durch eine Interpretation von Bibelstellen. Und wie gezeigt, ist die zumindest beim Thema Apostel schief.

    Liebe Frau Krieser,

    Gerade die Botschaft 2. Korinther 5,20 spricht für mich alle Christinnen und Christen an, das ist doch eine Kernbotschaft, die wir alle nach außen tragen sollten. Dafür sind nicht nur die Hirten berufen, sondern wir alle sind Botschafterinnen und Botschafter an Christi statt.

    Was Bischof Jobst Schöne mit dem Satz meint „können dann schnell ein neues Gottes- und Christusbild formen“ hätte ich ihn sehr gerne gefragt, was leider nicht mehr geht. Bei allen Veränderungen, die das Hirten-/Pfarramt in den letzten 2000 Jahren erlebt hat, sind der ewige Gott und sein Sohn Jesus ewig geblieben.

    Thomas Hartung

    1. Lieber Herr Hartung,

      nein, meinen Taufpastor und Konfirmator Bischof Schöne können wir leider nicht mehr befragen, was er mit dieser Aussage in seinem Hirtenbrief gemeint hat.
      Aber er spricht damit eine grundsätzliche Frage biblischer Hermeneutik an, die ausnahmslos jeden von uns etwas angeht: Durch welche Brille lesen wir eigentlich die Heilige Schrift?
      Ja, es ist richtig: Jeder Mensch hat eine andere Persönlichkeit, geformt durch Veranlagung und Erfahrungen, Erwartungen, Erfolge aber auch Verletzungen.
      Jeder Mensch ist zudem Kind seiner Zeit. Wir leben in einer Zeit der großen und vor allem dicht aufeinanderfolgenden ideologischen Umbrüche, wenn man bedenkt, wie viele -ismen in unserer westlichen Welt in den letzten Jahrhunderten gekommen und wieder gegangen, aber auch geblieben sind. Nachhaltig sind wir alle vom Feminismus geprägt. Dessen Denk-, Sprach- und Handlungsmuster haben wir oft ganz unbewusst in uns aufgenommen, ohne es zu merken.

      Es geht mir hier nicht darum aufzuzeigen, welche Errungenschaften des Feminismus gut und welche weniger gut waren und es noch sind. Ich möchte lediglich folgende Beobachtung ansprechen: Viele Christen in unserer westlichen Welt lesen die Bibel inzwischen durch eine mehr oder weniger feministisch getönte Brille, ohne dass ihnen dies jemals bewusst geworden ist. Aus diesem Grund kommen auch Menschen, die sich mit großem Eifer und Ernst mit Gottes Wort beschäftigen, in der Frage der Frauenordination zu einem anderen Ergebnis als deren Gegner. Und ich kann das gedanklich sehr gut nachvollziehen: Wer die Bibel durch die Brille des Feminismus liest, der DARF als Konsequenz nicht nur das Frauenpfarramt einführen, nein, er MUSS das dann logischerweise auch tun! Und ebenso logisch nachvollziehbar wird er dann auch versuchen, seine Mitmenschen von dieser Erkenntnis zu überzeugen.
      Es ist und bleibt die vorrangige Frage: Ist es wirklich gut, die Bibel weiterhin durch die Brille des Feminismus zu lesen? Oder sollten wir nicht allesamt versuchen, die Heilige Schrift ohne jede Ideologie-Brille zu lesen und dann den Mut haben, nach den gemeinsam gewonnenen Erkenntnissen zu handeln? Die Bibel warnt uns ja an verschiedenen Stellen selbst eindrücklich davor, sich von den Ideologien der Gegenwart einfangen zu lassen, die menschengemacht sind, aber nicht nicht von Gott kommen – sondern im Gegenteil von ihm wegführen.
      Bitten wir Gott von ganzem Herzen um einen ideologiefreien Blick auf Sein Wort, ganz besonders am Vorabend zur kommenden Kirchensynode! Denn ER kann zum Einen die rechte Erkenntnis, zum Anderen den Mut zum rechten Handeln schenken – auch wenn wir uns damit gegen den Mainstream stellen!

      Viele Grüße
      Angelika Krieser

  13. Liebe Angelika Krieser,

    Sie schreiben

    „1. Soll die Frage „Frauenordination in der SELK – ja oder nein“ in erster Linie theologisch entschieden werden – oder in erster Linie basisdemokratisch/mehrheitlich?“

    Ich kann in dem obigen Brief und den Kommentaren nur eine große Ernsthaftigkeit wahrnehmen im Ringen um eine schriftgemäße Antwort auf die Frage nach der FO wahrnehmen – niemand hier hat auch nur im Entferntesten angedeutet, dass Lehrfragen durch Mehrheiten entschieden werden sollten oder könnten.

    Mich macht es traurig und betroffen, dass hier Befürwortern der FO (direkt oder imdirekt) unterstellt wird, sie würden weniger demütig auf das Wort Gottes hören als etwaige Befürworter der FO. Das ist aus meiner Sicht keineswegs der Fall – sind nicht auch etliche Pfarrer der SELK, auch Pfarrer im Amt des Superintendenten bzw. Propstes und in der LTH, nach sorgfältiger Exegese zu dem Schluss gekommen, dass auf Grundlage der Schrift durchaus der FO zugestimmt werden kann oder sogar sollte?


    Weiter schreiben Sie,

    „3. Ich meine, da wäre es doch wesentlich einfacher und auch von der Liebe her geboten, wenn diejenigen SELK-Frauen, die gerne Pastorin werden möchten, dies in der Landeskirche tun.“

    Es geht hier nicht um irgendwelche „SELK-Frauen, die gerne Pastorin werden möchten“, sondern um die gegenseitige (!) Akzeptanz der verschiedenen exegetisch begründeten Posotionen hinsichtlich der FO.

    Geht es nicht auch um die vielen Gemeindeglieder, die an dem zunehmenden Richtgeist in unserer Kirche (zumeist im Stillen) leiden, die beobachten, dass Gemeindeglieder zunehmend Unterstellungen bis hin zu persönlichen Angriffen (und im Einzelfall sogar Verleumdungen) ausgesetzt sind?

    Geht es nicht auch um all diese, die allmählich ihre langjährige geistliche Heimat verlieren – selbst dann, wenn sie nicht aus der SELK austreten?

    „4. Angesichts der schrumpfenden Finanzen werden wir in Zukunft wohl mehr Pfarrer/Pfarrdiakone im Ehrenamt beschäftigen müssen, damit die geistliche Versorgung einigermaßen aufrecht erhalten wird. Das ist ein hohes Maß an zusätzlicher Belastung für die Betreffenden. Es ist zu fragen, wie sich Frauen, die häufig durch Ehe, Mutterschaft, Kinder und Berufstätigkeit gebunden sind, dann noch für einen Pfarrdienst Zeit und Kraft haben wollen?“

    Liebe Frau Krieser, dies ist allerdings kein stichhaltiges Argument – und schon gar nicht ein theologisches Argument.

    Gilt dies alles nicht genauso für Familienväter, die im Pfarramt tätig sind? Und: kinderlose Frauen, die sich ganz dem kirchlichen Dienst widmen, scheinen Sie nicht mit zu bedenken.

    Das Problem der schrumpfenden Finanzen ist uns allen sehr bewusst – ebenso, dass uns „Arbeiter in der Ernte“ fehlen. Beides wird durch eine Ablehnung der FO sicherlich nicht kleiner – doch so gewinnen wir keine stichhaltigen Argumente pro oder kontra FO.

    Lasst uns uns hier also fokussieren auf theologische Argumention in redlicher und respektvoller Weise.

    Herzliche Grüße in der Verbundenheit unseres Glaubens und Bekenntnisses,
    Maria Heß

  14. Lieber Herr Hartung!
    Ich bin davon überzeugt, dass die Aussagen der Bibel klar sind; nicht immer einfach zu verstehen, nicht jede einzelne aus sich selbst heraus, aber im bibilischen Gesamtkontext bei gewissenhafter und Christus-gemäßer Auslegung klar. Gott selbst entscheidet also durch sein eigenes Wort, welche Auslegung richtig ist und welche nicht; eine höhere Instanz gibt es nicht. Martin Luther und viele andere Theologen alter und neuer Zeit haben diese „claritas“ der Heiligen Schrift vertreten. Ich habe in meinem Kommentar versucht, dies bei der Auslegung von 1.Kor 14 und 1.Tim 2 zu erweisen. Wenn die Bibel nicht klar, sondern der willkürlichen Deutung subjektiver Auslegungen preisgegeben wäre, dann wäre der Grundsatz sinnlos, alle Lehren und Lehrer nach der Bibel zu beurteilen; eine verbindliche Beurteilung wäre dann nämlich überhaupt nicht möglich. Allerdings gestehe ich zu, dass man sich bei der Bibelauslegung irren kann. Wenn nun einige Glieder unserer Kirche der Meinung sind, dass die Christenheit in der Frage der Frauenordination bisher geirrt hat und der Artikel 7.2 der SELK-Grundordnung folglich auf einer Irrlehre fußt, dann mögen sie dies überzeugend und stichhaltig nachweisen. Der bloße Hinweis darauf, dass einige Leute diese Bibelstellen anders verstehen und auslegen, reicht nicht aus. Wenn man einer fast zweitausendjährigen kirchlichen Praxis und Lehrtradition sowie der Grundordnung der eigenen Kirche und den Schwesterkirchen vorwirft, falsch zu liegen, sollte man sich seiner Sache sehr sicher sein und wirklich überzeugende Argumente vorbringen. Solche Argumente sind mir bisher nicht zu Ohren gekommen.
    Zu Ihren weiteren Ausführungen merke ich an:
    Wenn meine Schwester Angelika Krieser sich zu theologischen Fragen äußert, beansprucht sie damit keinesfalls das Hirtenamt. Und wenn ich und andere Männer ihr beipflichten, dann billigen wir ihr damit keineswegs eine Lehrautorität zu, wie sie dem Amt der öffentlichen Wortverkündigung vorbehalten ist.
    Ich gebe Ihnen Recht zu Ihrer Feststellung, dass das Geschlecht nicht das einzige Kriterium für eine Ordination sein darf (es ist in der SELK derzeit eben nur das umstrittenste). So sind in der Tat alle dafür in Frage kommenden Weisugen der Heiligen Schrift zu prüfen, ob sich daraus Kriterien ergeben, die Christus seiner Kirche uneingeschränkt bindend vorschreibt. Bei den von Ihnen angeführten Bibelstellen handelt es sich allerdings um Anweisungen Jesu an seine Jünger für die Zeit seiner Erdentage; er selbst hat sie für die Zeit nach seiner Auferstehung ausdrücklich wieder aufgehoben (Lk 22,36).

  15. Ich kenne auch die Bibelstellen, die von Gegnern der Frauenordination angeführt werden, aber es gibt eben auch andere Stellen, das wurde hier auf diesen Seiten ja schon hinreichend dargelegt.

    Könnte es sein, dass wir in der SELK so handeln wie die Pharisäer? Die kannten sich auch bestens in der Schrift aus, wurden aber von Christus diverse Male zurechtgewiesen.

    Da alle, die auf den Namen Christi getauft sind, „Christus angezogen“ (Gal 3,27) haben und „in Christus … eine neue Schöpfung“ (2 Kor 5,17) sind,
    haben alle Getauften durch ihr „Sein in Christus“ die Eignung, Christus zu repräsentieren und somit können meiner Meinung nach auch Frauen ordiniert werden.

    Gottes Segen für unsere Kirchensynode
    Gerd Kleinau

    1. Hallo Herr Kleinau,
      danke für Ihre kurzen und knappen Worte.
      Genau das habe ich mich auch schon oft gefragt: Könnte es nicht sein, dass sich all die Schriftgelehrten vielleicht auch etwas verrannt haben in den vielen, vielen Texten und Schriften und bei der Auslegung und bei der Verknüpfung und bei dem, was vielleicht schön wäre oder doch lieber gelassen werden sollte und was denn nun wahrlich Gottes Wille ist und, und, und.
      Wie so häufig kann das Gute so einfach und nah sein.
      Leider handelt es sich bei der Bibel nicht um ein mathematisches Kompendium, in welchem alles bewiesen ist – es ist eine Textsammlung. Und auch wenn sie Gottes Wort und Willen wiedergibt, so bleibt – wie bei allen Texten – ein gewisser Interpretationsspielraum mit allen Fehlermöglichkeiten, die nicht zwingend in der Bibel, wohl aber bei den MENSCHEN davor zu suchen wären. Nicht ein einziger heute lebender Mensch kann sagen „ICH habe DIE EINE und IMMER GELTENDE Wahrheit gefunden und alles andere ist FALSCH!“
      So wäre es schön, wenn sich ein jeder eine gewisse Restungenauigkeit in der eigenen Erkenntnis eingesteht und – eine andere Variante vielleicht auch ihre Berechtigung hat. Die muss man nicht gut finden, aber sollte sie tolerieren.
      Ich schließe mich der Bitte um Gottes Segen für die Synode an
      Hartmut Schmedt

  16. Liebe Geschwister,
    wie geschrieben, anerkenne ich die geltende Ordnung zur ausschließlichen Ordination von Männern, ohne sicher zu sein, ob dies Gottes Willen entspricht.
    Gemäß der kirchlichen Ordnung für Pastoralreferentinnen gehört es zu deren Aufgaben „ggf. auch Predigtgottesdienste [zu] halten“ (§ 3 (2)). Der grundlegenden Ordinations-Ordnung scheint das zu widersprechen, denn die öffentliche Wortverkündigung im Gottesdienst, also die Predigt, ist doch neben der Sakramentsverwaltung die wesentliche Aufgabe des ordinierten Pfarrers!? Der Schlusssatz des Paragrafen: „Die Verkündigung steht in der umfassenden geistlichen Verantwortung des Pfarrers für Lehre und Predigt für seinen Pfarrbezirk“ soll diesem Eindruck wohl entgegen wirken.
    Das irritierende Erleben einer Predigt, die im Gottesdienst von einer Frau gehalten wird, kann diese Bestimmung (wer kennt diese Texte schon?) jedenfalls nicht verhindern. Was soll ein Laie oder ein Gast davon halten, der weiß: in der SELK gibt es keine Pfarrerinnen?
    Mir scheint hier (zumindest) eine erhebliche Unklarheit vorzuliegen, die die gegenwärtige Auseinandersetzung erschwert.
    Herzlichen Gruß,
    Bodo Hauenschild.

  17. Pingback: Fundament Jesus Christus – nicht Fundamentalismus (Kurzfassung) – Mitten aus der SELK

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