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Leo XIV. – Einheit und Vielfalt

Es gibt einen neuen Papst – wir wünschen Leo XIV. in ökumenischer Verbundenheit Gottes Segen für seine Arbeit. Die Journalistin Gudrun Sailer von Vatican News, die bei der ARD-Liveberichterstattung als Kommentatorin beteiligt war, konnte unmittelbar nach der Verkündigung des neuen Papstes den Bischofswahlspruch mitteilen, den Richard Francis Prevost als Bischof von Chiclayo gewählt hatte: „In illo uno unum.“ – „In jenem einen (sind wir) eins.“ Jener eine ist Jesus. Das Zitat stammt aus einer Predigt des Augustinus, denn Prevost ist Augustinermönch; natürlich wusste ich das nicht und dachte stattdessen an „E pluribus unum“, den Wappenspruch der USA (der auf jedem Dollar steht): „Aus vielen eines.“ Ich finde diese US-amerikanische Devise sehr schön, weil sie daran erinnert, dass dieses Einwanderungsland aus vielen Wurzeln entstanden ist und dass Vielfalt eine Stärke ist, die Einheit ermöglicht. Bei Augustinus und im christlichen Kontext spielt die Vielfalt auch eine Rolle – aber hier steht „jener eine“ Jesus Christus als derjenige im Mittelpunkt, der Einheit schafft.

Dieser Gedanke erinnert mich an Galater 3,28: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ Paulus formuliert hier eine wichtige Erkenntnis, nämlich dass wir Menschen sehr unterschiedlich sind und viele Unterschiede machen, aber dass wir „in Christus“ eins sind. Durch seine Erlösung macht das, von dem wir uns so oft trennen lassen, keinen Unterschied mehr: Nationalität, Gesellschaftsschicht, Geschlecht. Wir Menschen teilen einander ein in Freund und Feind, in oben und unten, in Geschlechterklischees – und regelmäßig wird aus diesen Unterschieden Nationalismus, Ausbeutung und Diskriminierung. Gott sagt: Lasst das. Ihr seid alle, so unterschiedlich ihr seid, meine geliebten Kinder.

Zu meiner großen Freude hat Leo XIV. genau diesen Gedanken auch in seiner ersten Ansprache formuliert: „Friede sei mit euch! Dies ist der Friede des auferstandenen Christus, ein entwaffneter und entwaffnender Friede, demütig und beharrlich. Er kommt von Gott, Gott, der uns alle bedingungslos liebt.“ Gott macht keinen Unterschied. Er liebt uns alle bedingungslos.

Ich wünsche Leo XIV., dass er die Vielfalt von Kirche ebenso wertschätzt wie sein Vorgänger – und einiges deutet daraufhin, dass er genau aus diesem Grunde auch gewählt wurde. Vermutlich wird er ebenso wenig wie Franziskus ein progressiver Reformer sein, d.h. die Weihe von Frauen zu Priesterinnen werden wir wohl auch in seinem Pontifikat nicht erwarten können. Aber so viel ist auch schon für die römisch-katholische Kirche und für die gesamte Kirche Jesu Christi gewonnen, wenn er sich für die Armen, Verfolgten und Unterdrückten einsetzt, ihnen eine Stimme gibt und sich gegen Ausgrenzung und Diskriminierung einsetzt. Denn Menschen zu helfen, seelisch und praktisch, ist der Auftrag Jesu. Wenn er ein echter Brückenbauer ist, der die Vielfalt seiner Kirche in dieser Hinwendung zu den Armen zusammenbringt, dann wird mit Gottes Hilfe Einheit daraus erwachsen.

Einheit in Vielfalt – das wünsche ich mir auch für die SELK. Die Kirche zusammenzuhalten angesichts großer Kontroversen, das ist der übergreifende Wunsch nahezu aller Gemeinden der SELK, wie im Zwischenbericht der Synodalkommission Szenarien an die Sitzung 2024 der 15. Kirchensynode dokumentiert wurde. Gleichzeitig wünscht sich die überwältigende Mehrheit der Gemeinden der SELK endlich eine Anerkennung der Vielfalt unserer Kirche – vor allem im Hinblick darauf, dass Frauen auch Pfarrerinnen werden können. Kirchliche Einheit heißt nicht, dass alle Unterschiede verschwinden, sondern dass wir endlich alle die Vielfalt unserer Talente und Gaben in den Dienst der Kirche stellen können. Ich bete dafür, dass die Pfarrer unserer Kirche, die Superintendenten, Pröpste und der Bischof, ebenso wie alle anderen SELKis sich bei den anstehenden Gremiensitzungen in diesem Jahr von der Liebe Gottes leiten lassen, die uns alle genau so annimmt, wie wir sind: In Vielfalt. Denn in dieser Liebe halten wir alle Unterschiede aus. In illo uno unum.

ms
(13.05.2025)

Beitragsbild: Das neue Papstwappen von Leo XIV. – auch hier findet sich die Devise „In illo uno unum“. Motiv von Wikimedia Commons.

1 Gedanke zu „Leo XIV. – Einheit und Vielfalt“

  1. Ich freue mich über diesen Artikel. Er zeigt, wie anregend der Blick über den Tellerrand (der SELK) sein kann – sind wir doch auch was die verschiedenen Kirchen betrifft „in Illo Uno unam“.

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