Zum Inhalt springen

Nerd Content? – Wer darf was in der SELK?

Wer darf was in der SELK? Genauer gefragt: Welches Gremium hat das Recht und die Aufgabe, zu welchen Fragen Entscheidungen zu treffen? Das ist das Thema des vorliegenden Textes. Wir haben dem Autor/innenteam dazu vorab einige Fragen gestellt.

MADS: Liebe Rosi und lieber Fritz, ist das nicht ein sehr spezielles Thema, das wahrscheinlich nur wenige Fachleute interessiert? Warum findet ihr es wichtig?

RL/FK: Wenn wir über die Aufgaben und Befugnisse von APK und Kirchensynode sprechen, dann geht es nicht um Kleinigkeiten, sondern um grundlegende Entscheidungen für unsere Kirche. Wir brauchen Klarheit in den Prozessen, um gemeinsam unsere Zukunft gestalten zu können.

In der Stellungnahme der Theologischen Kommission zur Abgrenzung der Aufgaben von APK und Kirchensynode (530.04 (Zeile 61)) wird hierzu auf die Schrift verwiesen: 1. Korinther 14,40 steht: „Lasst aber alles ehrbar und ordentlich zugehen.“ und 1. Korinther 14,33: „Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens.“ Ordnungen, die für alle gleiche Gültigkeit haben, sorgen für Frieden und ein geregeltes Miteinander.

MADS: Ihr beide wart viele Jahre lang Synodale, habt bei zahlreichen Kirchensynoden mitgewirkt und so auch die Entwicklung im Zusammenspiel zwischen Kirchenleitung, APK und Synode erlebt. Was beobachtet ihr hier langfristig?

RL/FK: Wir beobachten den Versuch, Rechte unterschiedlich auszulegen, um die eigenen Ziele zu verfolgen. Je nach Interesse bekommt der APK mehr Entscheidungsbefugnisse und ein anderes Mal darf die Synode ohne APK entscheiden. Die Laien in unserer Kirche, die in der Zusammensetzung der Synoden Mitspracherecht haben, werden immer wieder durch das geistliche Amt in ihren Rechten dominiert.

MADS: Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung? Wie ist sie angesichts der Lage unserer Kirche einzuschätzen? Was sollten wir tun, um unsere Zukunft besser gestalten zu können?

RL/FK: Diese unterschiedlichen Auslegungen führen immer wieder zu Konflikten. Hier wäre eine Klarheit in der Auslegung wichtig, die auch für alle gleiche Gültigkeit hat. Hilfreich wäre eine externe Instanz, die neutral auf unser Ordnungswerk schaut und die Schwachstellen aufzeigt. Wir sind uns sicher, dass es mehr Frieden und ein konstruktiveres Miteinander ermöglichen würde.

Stellungnahme zur SELK_news vom 16. Juli 2025

In der SELK_news Ausgabe 59-2025 vom 16.07.2025  steht unter der Überschrift „Kirchenleitung befasst sich mit APK-Beschlüssen“ u.a.:

Da Beschlüsse des APK erst durch eine Zustimmung der Kirchensynode bindende Wirkung erlangen, legt die Kirchenleitung der dritten Tagung der 15. Kirchensynode einen entsprechenden Antrag vor. Die Kirchensynode kann diese annehmen, ablehnen oder kommentieren.
Die Kirchenleitung ermöglicht damit der Kirchensynode, ihre in der Grundordnung beschriebenen Aufgaben wahrzunehmen,
 über Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und der kirchlichen Praxis zu beraten und zu darüber gefassten Beschlüssen des Allgemeinen Pfarrkonventes Stellung zu nehmenArtikel 25, Absatz (8), b). Die Beschlüsse des 15. APK bedürfen der Zustimmung durch die Kirchensynode, wenn sie bindende Wirkung für die Kirche haben sollen, Artikel 24, Absatz (3), b).“

Der Satz in der SELK_news: „Die Kirchensynode kann diese annehmen, ablehnen oder kommentieren.“ suggeriert, dass die Kirchensynode Anträge des APK nicht verändern kann.

Es ist richtig, dass die Kirchensynode Beschlüsse des APK nicht verändern kann, sondern nur beraten oder kommentieren. Die Kirchensynode braucht entsprechende konkrete Anträge, welchen sie zustimmen oder die sie auch ablehnen oder verändern kann.

In der Grundordnung, Art. 25 (8) steht: „Die Kirchensynode beschließt über die Anträge, die an sie gerichtet werden.“ Ohne Antrag gibt es keinen Beschluss. Auch für eine Stellungnahme zu einem Beschluss des APK braucht sie einen Antrag. Dies gilt für jedes an die Kirchensynode antragsberechtigtes Gremium (Art. 25 (11) der GO).

Der APK wird im Art. 25 (11c) aufgeführt:
(11) Beratungsgegenstände für die Kirchensynode können beantragen
c)    die in der Grundordnung vorgesehenen Pfarrkonvente;

Die Geschäftsordnung der Kirchensynode regelt im „§14 Reihenfolge der Anträge“ den Umgang mit den Anträgen. Anträge des APK gemäß Art 24 (3) werden laut §14 (4) zwar vorrangig behandelt, aber Gegenanträge oder Änderungsanträge sind zulässig. Sie werden allerdings erst behandelt, wenn der Antrag des APK abgelehnt wird oder wenn der Arbeitsausschuss der Kirchensynode einen Leitantrag an die Kirchensynode stellt, welcher dann vorrangig gegenüber dem Antrag des APK behandelt wird.

Folgend ein Beispiel von der 11. Kirchensynode 2007 in Radevormwald.
Der APK
 legte der Synode 2007 folgenden Antrag 420 vor:

Antrag an die 11. Kirchensynode 2007 der SELK
Die 11. Kirchensynode möge beschließen:
Die 11.Kirchensynode nimmt die ökumenische Fassung des Apostolischen Glaubensbekenntnis (1971) als offiziellen Text mit folgenden Ausführungsbestimmungen an:
 Die Wiedergabe des offiziellen Textes soll beim Wort „christliche“ mit der Fußnote versehen werden: „wörtlich: katholische = allumfassende“.“

Es lagen der Kirchensynode auch mehrere Anträge (422f) vor, die derzeitige Fassung des Apostolikums beizubehalten. Der Arbeitsausschuss 3 der Synode erarbeitete den Leitantrag 420.01 A):

„Die 11. Kirchensynode gibt neben der bisherigen Fassung des Apostolikums auch die ökumenische Fassung (1971) für den gottesdienstlichen Gebrauch frei.
Begründung: Diese Antragstellung nimmt im Gegensatz zur Antragstellung des APK (420) 
die unterschiedliche Situation der Gemeinden unserer Kirche ernst: es gibt Gemeinden, denen das Mitsprechen der ökumenischen Fassungen des Apostolikums kaum möglich ist. Anderen Gemeinden scheint in ihrer Situation der Gebrauch der ökumenischen Fassung des Apostolikums (1971) geboten. Uns leitet bei diesem Antrag auch die Erkenntnis, dass Schwesterkirchen der SELK (z.B. LCMS und ELKiB) ohne Probleme seit Jahren mit unterschiedlichen Fassungen des apostolischen Glaubensbekenntnisses leben.“

Dieser Leitantrag 420.01 A) wurde mit Mehrheit beschlossen und gilt seitdem verbindlich in der SELK. Man sieht hier, dass die Synode einen Kompromiss gefunden und die Annahme des Leitantrages den Antrag 420 des APK verändert beschlossen hat.

Anträge des APK gemäß Artikel 24 (3) der Grundordnung sind nach Geschäftsordnung vorrangig abzustimmen, wenn aber ein Arbeitsausschuss der Synode einen Leitantrag stellt, wird dieser vorrangig abgestimmt. Wenn der Leitantrag 420.01 A) keine Mehrheit bekommen hätte, wäre danach über den Antrag 420 des APK abgestimmt worden.

Unterscheidung zwischen Aufgaben und Entscheidungen

In der Grundordnung werden den einzelnen Gremien Aufgaben und Entscheidungen zugewiesen. Bei den Aufgaben findet man in Art. 24 (3) die Formulierung: „Es gehört zu den Aufgaben des APK:“ und in Art. 25 (8): „Die Kirchensynode beschließt über die Anträge, die an sie gerichtet werden. Insbesondere gehört es zu ihren Aufgaben:“ …

Es ist aus dieser Formulierung zu erkennen, dass in der Grundordnung letztlich nur beispielhaft Aufgaben für die einzelnen Gremien genannt werden. Man findet hierzu auch in den Erläuterungen zur Grundordnung den Satz bei Art.25 (8c): „Auch der APK kann sich mit den gesamtkirchlichen Ordnungen beschäftigen, da seine Aufgaben in Art. 24 nicht erschöpfend beschrieben sind.“

Warum ist das so? Weil alle Gremien der SELK (angefangen von der Gemeindeversammlung bis zur Kirchensynode) ALLE Fragen der Kirche beraten und zu allen Fragen Beschlüsse fassen können. Ein Gremium der Kirche bekommt in dem Moment eine Aufgabe zugewiesen, wo ein Antragsberechtigter zu einer Frage oder einem Thema einen Antrag stellt. Ein Gremium fasst einen Beschluss, weil ein entsprechender Antrag vorliegt. Ein Gremium stellt dann einen Antrag an die Kirchensynode, wenn ein entsprechender Antrag an dieses Gremium gestellt wurde.

Nur wenn die Grundordnung ein anderes Gremium als die Kirchensynode vorsieht, hat dieses Gremium für die Kirche verbindliche (Vor-)Entscheidungen zu treffen.

In der Anlage 1 wird konkret am Beispiel Artikel 24 (3) der Grundordnung erläutert, dass es sich bei den Artikeln 24 (3a) und (3b) nur um Aufgaben des APK handelt, während mit den Artikeln 24 (3c) und (3d) dem APK auch Entscheidungsrechte zugewiesen wurden.

In Anlage 2 wird der Frage nachgegangen: Was bedeutet eigentlich wirklich Art. 25 (8b): „über Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und der kirchlichen Praxis zu beraten und zu darüber gefassten Beschlüssen des Allgemeinen Pfarrkonventes Stellung zu nehmen“?

Rosemarie Lösel
Friedrich Kugler
05.12.2025

Anlage1:   Unterschiede in Artikel 24 (3a) bis (3d) bezüglich Aufgaben und Entscheidungen

Artikel 24 Der Allgemeine Pfarrkonvent (APK)
(3) Der Allgemeine Pfarrkonvent soll die Verbundenheit aller Amtsträger der Kirche untereinander fördern. Es gehört zu den Aufgaben des Allgemeinen Pfarrkonventes:
a) über Zustand, Weg und Aufgabe der Kirche zu beraten;
b) über Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und der kirchlichen Praxis zu beraten. Er kann dazu Beschlüsse fassen. Solche Beschlüsse bedürfen der Zustimmung durch die Kirchensynode, wenn sie bindende Wirkung für die Kirche haben sollen;
c) der Kirchensynode Vorschläge über die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit anderen Kirchen zu unterbreiten. Diese Vorschläge müssen mindestens mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden;
d) Kandidaten für die Wahl des Bischofs zu benennen.

Geschäftsordnung der Kirchensynode der SELK
§ 14 Reihenfolge der Anträge
(1) Der Präses legt die Reihenfolge der Abstimmungen fest.

(2) Bei unterschiedlichen Anträgen ist in folgender Reihenfolge abzustimmen:
– Antrag auf Schluss der Debatte
– Antrag auf Unterbrechung der Debatte
– Antrag auf Schluss der Rednerliste
– Anträge zum Verhandlungsgegenstand

(3) Über
– Gegenanträge
– Änderungsanträge
– Zusatzanträge (Nebenanträge)
ist zuerst und in der vorgenannten Reihenfolge abzustimmen.
Liegen mehrere Gegen-, Änderungs- und Zusatzanträge zu einem Tagesordnungspunkt vor, entscheidet das Präsidium über die Reihenfolge ihrer Abstimmung.

(4) Absatz 3 gilt nicht bei Anträgen
– der Ausschüsse gemäß § 18 Abs. 2 und § 21
– des allgemeinen Pfarrkonvents gemäß Artikel 24 (3 ) Grundordnung
– von Antragsberechtigten im Sinne Artikel 25 (8)b Grundordnung aufgrund von Beauftragungen durch die Kirchensynode
(zur Kenntnis: GO Art 25 (8) b) von der Kirchensynode bestellte, beauftragte oder in ihrem Auftrag eingesetzte Kommissionen im Rahmen ihres Aufgabenbereichs;)
– der Synodalkommissionen gemäß § 20 Geschäftsordnung
(SynKoReVe und SynKoHaFi)
Diese Leitanträge sind vorrangig zu behandeln, es sei denn, dass das Präsidium im Rahmen der geltenden Ordnungen eine andere Reihenfolge festlegt.

(5) Über Hilfsanträge darf erst abgestimmt werden, wenn der Hauptantrag abgelehnt worden ist.

Der APK kann auch zu Artikel 24 (3a) Beschlüsse fassen und Anträge an die Kirchensynode stellen wie bei Art. 24 (3b), wenn die Beschlüsse zu Art. 24 (3a) bindende Wirkung für die Kirche haben sollen.

Im Art 24 (3c) steht: „(Der APK kann) der Kirchensynode Vorschläge über die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit anderen Kirchen unterbreiten. Diese Vorschläge müssen mindestens mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden;“. Damit ist geregelt, dass die Kirchensynode nur auf Antrag des APK Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit anderen Kirchen beschließen kann. Die anderen Antragsteller aus GO Art. 25 (11) können keinen entsprechenden Antrag stellen.

Artikel 25 Kirchensynode
(11)   Beratungsgegenstände für die Kirchensynode können beantragen:
a) Die Kirchenleitung und das Kollegium der Superintendenten;
b) von der Kirchensynode bestellte, beauftragte oder in ihrem Auftrag eingesetzte Kommissionen im Rahmen ihres Aufgabenbereichs;
c) die in der Grundordnung vorgesehenen Pfarrkonvente;
d) die Synoden der Kirchenbezirke,
e) die Gemeinden oder Pfarrbezirke;
f)  die Fakultät der Lutherischen Theologischen Hochschule, die Missionsleitung der Lutherischen Kirchenmission und das Diakonische Werk in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche;
g) mindestens 50 stimmberechtigte Kirchglieder. Die Stimmberechtigung richtet sich nach den geltenden Ordnungen.

Mit Art. 24 (3d) „Kandidaten für die Wahl des Bischofs zu benennen.“ ist klar geregelt, wie in 24 (3c) dass nur der APK den Antrag für Kandidaten der Bischofswahl stellen kann.

Laut Geschäftsordnung §14 (4) sind Anträge des Allgemeinen Pfarrkonvents gemäß Artikel 24 (3) Grundordnung vorrangig zu behandeln genauso wie Anträge der Arbeitsausschüsse der Synode sowie die der Synodalkommissionen. Anträge von diesen Gremien werden in der Geschäftsordnung als Leitanträge bezeichnet. Erst wenn diese Leitanträge abgelehnt worden sind, würden andere entsprechende Anträge (Gegenanträge, Änderungsanträge, Zusatzanträge) behandelt werden.

Zum Schluss noch aus dem Protokoll der 1. Kirchensynode 1973 in Radevormwald. Dort steht auf Seite 5:
3.6 Generaldebatte über die weiteren Anträge:
Der Präses (Dr. Ing. Kurt Bellin)  trägt vor, über welche Arten der Behandlung von Anträgen auf der Synode zu entscheiden ist:
a) Anträge, die durch Ausschüsse vorbereitet werden,
b) Anträge, die unmittelbar im Plenum behandelt werden,
c) Anträge, die offensichtlich noch nicht auf dieser Synode entschieden, aber Kommissionen zur weiteren Beratungen übertragen werden müssten.

Die Kirchensynode kann nicht nur wie unter c) steht, Synodalkommissionen einsetzen oder die SynKoReVe oder die SynKoHaFi beauftragen, Beschlussvorlagen zu erarbeiten, sondern auch die Theologische Kommission oder den APK bitten, Beschlussvorlagen oder Stellungnahmen zu erarbeiten.

Rosemarie Lösel
Friedrich Kugler
05.12.2025

Anlage 2 „Stellung zu nehmen“ Art. 25 (8b)

Frage: Was bedeutet Art. 25 (8b): „über Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und der kirchlichen Praxis zu beraten und zu darüber gefassten Beschlüssen des Allgemeinen Pfarrkonventes Stellung zu nehmen“?

Dieser Artikel wird oft so ausgelegt, dass damit gemeint ist: Die Kirchensynode dürfe in den Fragen nur beraten und in diesen Fragen auch nur Beschlüsse/Anträge des APK behandeln. Die Synode dürfe diese Anträge auch nur annehmen, ablehnen und (neuerdings taucht auch auf:) kommentieren. Früher sagte man auch, bei Ablehnung müssten die Anträge an den APK zurückverwiesen werden. In welcher Form? Die Kirchensynode hat kein Antragsrecht beim APK. Warum auch, sie ist das oberste Entscheidungsorgan der Kirche. Wenn die Synode meint, dass ein Antrag noch nicht beschlussreif ist, kann sie andere Gremien bitten mitzuwirken, um einen beschlussreifen Antrag zu erarbeiten. Da die Pfarrer auf der Synode die Mehrheit stellen, können sie auch hier Vorgänge beantragen und beschließen.

Bei der obigen „speziellen“ Auslegung der Grundordnung in Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und der kirchlichen Praxis haben die Laien kein Antragsrecht mehr. Das ist ein Problem. Darf denn nur noch der APK in diesen Fragen Anträge vorlegen?

Eine andere Variante der Auslegung ist es, dass der APK votieren oder eine Stellungnahme abgeben müsse, bevor die Synode entscheiden darf. Beide Varianten sind nirgendwo explizit festgeschrieben, nicht in der Grundordnung und auch nicht in der Geschäftsordnung. Deswegen lebt hier ein Wildwuchs, sprich eine Unordnung.

Auf Synoden, und nicht nur dort, wurde deshalb immer wieder mal die Frage gestellt, was der Halbsatz: „und zu darüber gefassten Beschlüssen des Allgemeinen Pfarrkonventes Stellung zu nehmen, im Artikel 25, Absatz (8) b) eigentlich genau bedeutet.
Hierzu schauen wir uns die Entstehungsgeschichte der Grundordnung an.

Entstehungsgeschichte:
Der oben zitierte Halbsatz wurde auf der Sitzung des Verfassungsausschusses vom 15. April 1970 in die Grundordnung eingefügt. In dieser Fassung stand im Artikel 24 (3) b) „Über Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und der kirchlichen Praxis zu beraten; er kann dazu Beschlüsse fassen.“ (gemeint ist der APK)

Es heißt, der APK kann Beschlüsse fassen. Es stand hier noch nichts über bindende Wirkung für die Kirche.

In den Erläuterungen zur Grundordnung, die parallel zur Grundordnung vom Verfassungsausschuss erarbeitet und zusammen mit der Grundordnung abgestimmt wurden, heißt es zu dem Zeitpunkt: „In den Fragen der Lehre und des geistlichen Lebens, die für die Kirche von existentieller Bedeutung sind, sind nur Entscheidungen möglich, bei denen alle Gremien mitwirken, welche die Gesamtkirche verantwortlich repräsentieren. Dabei gebührt dem Allgemeinen Pfarrkonvent eine vorrangige Kompetenz, weil er die Gesamtheit aller geistlichen Amtsträger der Kirche darstellt. Er kann in den bezeichnenden Fragen von sich aus Beschlüsse fassen. Jedoch soll die Kirchensynode dadurch keineswegs ausgeschlossen sein. Sie kann selbstverständlich zu den Beschlüssen des APK Stellung nehmen und auch von sich aus Beschlüsse fassen, sofern ihr entsprechende Anträge vorliegen.“

Hier wird das „selbstverständlich zu den Beschlüssen des APK Stellung nehmen“ betont. Somit kann die Kirchensynode selbstverständlich zu allen Beschlüssen von anderen Gremien der Kirche Stellung nehmen, wenn ihr ein entsprechender Antrag vorliegt.

Da damals im „Artikel 11 Gemeinden“ der Grundordnung schon festgelegt war: „(2) Die Gemeinden verwalten ihre Angelegenheiten selbst im Rahmen der dafür geltenden Ordnungen und der Beschlüsse der Synoden.“, war klar, dass die Beschlüsse des APK keine bindende Wirkung für die Gemeinden hatten.

Erst in einer Sitzung der drei Kirchenleitungen am 17. Juni 1970 wurde im Artikel 24 (3b) der Halbsatz eingefügt:  „… bedürfen der Zustimmung durch die Kirchensynode, wenn sie bindende Wirkung für die Kirche haben sollen.

In den Erläuterungen nach der Sitzung vom 17. Juni 1970 stand nun zu Art. 24 (3b) und Art. 25 (8b) (unterstrichen neu gegenüber Erläuterungen vom 17. April 1970):

In den Fragen der Lehre und des geistlichen Lebens, die für die Kirche von grundlegender (In Erläuterungen vom 17. April 1970: „existentieller“) Bedeutung sind, sind nur Entscheidungen möglich, bei denen alle Gremien mitwirken, welche die Gesamtkirche verantwortlich repräsentieren. Dabei gebührt dem Allgemeinen Pfarrkonvent eine vorrangige Zuständigkeit (In Erläuterung von 17. April 1970: „Kompetenz“), weil er die Gesamtheit aller geistlichen Amtsträger der Kirche darstellt. Er kann in den bezeichnenden Fragen von sich aus Beschlüsse fassen. Doch bedürfen solche Beschlüsse der Zustimmung durch die Kirchensynode, wenn sie bindende Wirkung für die ganze Kirche haben sollen. (In Erläuterung vom 17. April 1970: „Jedoch soll die Kirchensynode dadurch keineswegs ausgeschlossen sein. Sie kann selbstverständlich zu den Beschlüssen des APK Stellung nehmen und auch von sich aus Beschlüsse fassen, sofern ihr entsprechende Anträge vorliegen.“)

Die Kirchensynode kann auch von sich aus Beschlüsse fassen, sofern ihr entsprechende Anträge vorliegen.

Man muss klar unterscheiden zwischen

  1. Anträgen an die Kirchensynode für Stellungnahmen der Kirchensynode zu Beschlüssen von anderen Gremien der Kirche und
  2. Anträgen an die Kirchensynode, um für die Gemeinden verbindliche Beschlüsse zu fassen.

Zu 1: Wenn der APK (oder ein anderes Gremium unserer Kirche) einen Beschluss fasst, aber keinen Antrag an die Kirchensynode stellt, kann die Kirchensynode zu diesem Beschluss des Gremiums Stellung nehmen, sofern ein Antragsberechtigter einen entsprechenden Antrag auf Stellungnahme gestellt hat.

Zu 2: Wenn ein Gremium einen für die Kirche verbindlichen Beschluss der Kirchensynode erreichen will, muss es einen entsprechenden Antrag an die Kirchensynode stellen.

Z.B: Die Kirchensynode möge beschließen:

In die Grundordnung wird neu eingefügt:
„Artikel 15 Abendmahl
(1) In der SELK können nur konfirmierte Glieder zum Abendmahl zugelassen werden.“

Hieraus erkennt man, dass der in der SELK_news suggerierte Zusammenhang zwischen: „Solche Beschlüsse bedürfen der Zustimmung durch die Kirchensynode, wenn sie bindende Wirkung für die Kirche haben sollen.“, und „ … und zu darüber gefassten Beschlüssen des Allgemeinen Pfarrkonventes Stellung zu nehmen.“, nicht schlüssig ist.

Auch der APK kann nur über Anträge an die Kirchensynode eine bindende Wirkung seiner Anliegen für die Gemeinden erzielen.

In den Erläuterungen wird gesagt, dass in grundlegenden (bzw. existentiellen) Fragen der Lehre alle Gremien mitwirken sollen. Der Beschluss 422.01 von der 10.Kirchensynode 2003 ist ein Beispiel dafür, wie von der Synode alle Gremien in einer Frage aufgefordert wurden, bei der Entscheidungsfindung mitzuwirken [1].

Wer kann festlegen, ob ein Antrag Fragen von grundlegender Bedeutung beinhaltet? Dies kann letztlich nur die Kirchensynode. Es ist in der Grundordnung kein anderes Gremium dafür vorgesehen. Vertrauen wir auf die Weisheit der Kirchensynode. Die Kirchenleitung und alle Superintendenten sind Synodale. Bevor über einen Antrag abgestimmt wird, kann jederzeit der Antrag gestellt werden, erst weitere Gremien der Kirche um ein Votum zu bitten, bevor die Kirchensynode beschließt.

In der Zeitschrift „Lutherische Theologie und Kirche“ findet sich ein Beitrag, der die Lehrfindung in unserer Kirche als gesamtkirchlichen Prozess darstellt. [2]

Ebenfalls in der Zeitschrift „Lutherische Theologie und Kirche“ findet sich ein Beitrag, welcher der Frage nachgeht „Wie kann eine polarisierte Gemeinschaft miteinander zurechtkommen.“ [3]

Wir möchten noch auf die Stellungnahme „APK und Kirchensynode“ [4] vom 5. August 2025 hinweisen. Dort wird am Ende aus den Erläuterungen u.a. Folgendes zitiert: „Nur der Begriff der Polarität vermag das Verhältnis von Amt und Gemeinde, wie es in der vorliegenden Grundordnung beschrieben werden soll, mit einem Wort zu kennzeichnen. (…) Dadurch soll sichergestellt sein, daß zuletzt Amt und Gemeinde in der Leitung der Kirche gemeinsam handeln, aus gemeinsamer Überzeugung heraus und in gemeinsamer Verantwortung. Man muß sich darüber klar sein, daß die Kirche zerbrochen ist, wo dies nicht mehr möglich sein sollte.“

Die Polarität ist in der Kirchensynode gegeben. Dort arbeiten Amt und Gemeinde gemeinsam am Bau der Kirche. Im APK ist nur das Amt vertreten.

Seit der Kirchensynode 2019 in Balhorn gab es eine Reihe von Vorgängen in der Frage der Abgrenzung der Befugnisse von APK und Kirchensynode [5].

Der letzte Beschluss 586 dazu auf der 3. Tagung der 15. Kirchensynode 2025 lautete: „Die Synode bittet die Synodalkommission, ihre Stellungnahme  Nr 530.03 zur 14. Kirchensynode (2022) zu reflektieren, die Rechtssituation des Verhältnisses zwischen Kirchensynode und APK im Sinne einer Kommentierung darzustellen und etwaige Regelungslücken und rechtliche Unschärfen der Synode aufzuzeigen.“

Fazit: 
Die Kirchensynode kann zu Beschlüssen aller kirchlicher Gremien Stellung nehmen, auch zu denen des APKs.

Die Kirchensynode kann aber nur auf Grund von entsprechenden Anträgen verbindliche Entscheidungen für die ganze Kirche fällen. Beschlüsse des APK benötigen einen Antrag an die Kirchensynode für einen zustimmenden Beschluss, um für die Gemeinden verbindliche Wirkung zu bekommen.

Der Satz in den Erläuterungen zur Grundordnung: Die Kirchensynode kann auch von sich aus Beschlüsse fassen, sofern ihr entsprechende Anträge vorliegen.“ stellt fest, dass auch andere Antragsteller als der APK Anträge an die Kirchensynode stellen können in Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und der kirchlichen Praxis.

Rosemarie Lösel
Friedrich Kugler
05.12.2025

[1] Antrag 422.01 10 Kirchensynode 2003: https://initiativelutherischerfrauen.wordpress.com/wp-content/uploads/2018/10/beschluss-422-02-melsungen.pdf

[2] Friedrich Kugler, Lehrfindung als gesamtkirchlicher Prozess, in LuThK 47 (2023), 64-73. https://grundordnung.wordpress.com/wp-content/uploads/2025/07/luthk2023_1_kugler-lehrfindung.pdf)

[3] Christian Neddens, Wie kann eine polarisierte Gemeinschaft miteinander zurechtkommen, in LuThK 48 (2024) 259-275, https://grundordnung.wordpress.com/wp-content/uploads/2025/10/neddens-miteinander-luthk-4-2024.pdf
In derselben LuThK findet sich auf Seite 219-258 ein Beitrag von Christoph Barnbrock mit dem Titel: „Was uns eint – trotz mancher Unterschiede“

[4] APK und Kirchensynode – Stellungnahme zur SELK_news vom 21 Juni 2025: https://mitten-aus-der-selk.de/?s=APK+Kirchensynode

[5] Abgrenzung der  Befugnisse von APK und Kirchensynode – Vorgänge 2019 – 2025:
https://grundordnung.wordpress.com/wp-content/uploads/2025/10/vorgaenge-zum-thema-apk-ks-2019-bis-2025.pdf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert