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„Warum selbständig?“ 50 Jahre SELK – Was feiern wir da?

Der Traum von der Selbständigkeit

Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „selbständig“ hören? Freiheit, Dynamik, Unternehmergeist sind Begriffe, die mir dazu einfallen. Wer sich selbständig macht, lässt die Zwänge und Einschränkungen des Angestelltenlebens hinter sich. Gleichzeitig bringt die Selbständigkeit auch Herausforderungen mit sich. Wer selbständig ist, muss alles selbst machen – und das ständig.

Eine selbständige Kirche?

Hätten Sie bei Begriffen wie Freiheit, Dynamik und Unternehmergeist sofort an die SELK gedacht? Ich eher nicht. Mein Eindruck ist, dass sich nicht wenige für unserer Kirche schämen. Wir sind nicht länger „systemrelevant“. Wir wirken wie aus der Zeit gefallen. Wir werden als Alte-Leute-Club und Traditionsverein wahrgenommen. Immer weniger Gemeindeglieder sind regelmäßig in der Kirche anzutreffen. Jetzt denken Sie vielleicht: „Das ist ganz schön hart!“ Und ich sage: Ja, so ist das, wenn man selbständig ist.

Schmerzhafte Entscheidungen

Wer selbständig ist, kann sich nicht hinter anderen verstecken, sondern muss selbst die schmerzhaftesten Entscheidungen treffen. Das steht auch uns als selbständiger Kirche bevor. Wir werden es in uns Zukunft nicht mehr leisten können, dass wir in allen Kirchgebäuden und Gemeinden in einer Region komplett dieselben Leistungen erbringen.

Ich denke da zum Beispiel an die mit viel Liebe vorbereiteten und parallel durchgeführten Gottesdienste, die sich aber alle nahezu zur selben Zeit (zwischen 9.30 Uhr und 11.15 Uhr) an nahezu dasselbe Publikum wenden. Wie wäre es, wenn sich stattdessen nur eine Gemeinde auf den traditionellen Gottesdienst konzentriert, während die andere Gemeinde Gottesdienstformen für Familien, Jugendliche oder Außenstehende entwickelt?

Oder muss jede Gemeinde ihren eigenen Seniorenkreis haben? Reicht es nicht, wenn bloß eine Gemeinde den anbietet, sodass die andere einen regelmäßigen Grillabend mit Männern zwischen 40-60 Jahren organisieren kann? Welche Möglichkeiten gäbe es in unserer Region, wenn wir unsere Ressourcen bündeln und unsere Angebote gezielter einsetzen? Wer selbständig sein will, muss sich solche Fragen stellen, auch wenn sie schmerzhaft sind.

Einsatz & Eigenständigkeit

Vielleicht denken Sie jetzt gerade: „Aber da ist doch noch mehr, was unsere Selbständigkeit als Kirche ausmacht! Wir sind als SELK eine vom Staat unabhängige Kirche und finanzieren uns ganz ohne Kirchensteuern! Wir leben vom ehrenamtlichen Engagement! Wir vertreten theologische Positionen, die auf Schrift und Bekenntnis gegründet sind und passen uns nicht einfach  den Meinungen der Mehrheitsgesellschaft an! Das ist doch Selbständigkeit.“ Finanziell gesehen: Ja. Das ehrenamtliche Engagement in unserer Kirche kann man gar nicht genug würdigen und wertschätzen! Auch die Bindung an Gottes Wort und die lutherischen Bekenntnisschriften verdient Respekt, gerade in der heutigen Zeit. Aber ich bekomme manchmal das Gefühl, dass wir manche Dinge bloß vertreten, weil sie schon immer so waren. Das gehört aber nicht zur Definition des Begriffes Selbstständigkeit.

Verankert & Veränderungsbereit

Selbständig heißt für mich, dass wir als Kirche einen sicheren Grund haben und positiv in die Zukunft blicken. Jesus hat versprochen, dass bei seiner Kirche ist, egal wie klein und irrelevant sie auch scheinen mag. Aber genau darum versuchen wir ganz selbständig, das Beste aus unseren Möglichkeiten zu machen. Verankert in Schrift und Bekenntnis und gleichzeitig mit dem Mut, die nötigen Veränderungen anzugehen.

Markus Nietzke

Ursprünglich als Beitrag zum 50. Geburtstag der SELK im Gemeindebrief „Bote“ der Kreuzgemeinden Hermannsburg und Bleckmar, Winter 2022/2023.

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