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Wer wird katholischer Priester? Wer wird SELK-Pfarrer?

Ein Radiobeitrag von NDR Kultur wirft Fragen auf, die auch die SELK betreffen.

In der NDR-Kultur-Sendung „Glaubenssachen“ wurde am Sonntag, 28. September 2025, ein Beitrag über die römisch-katholische Kirche ausgestrahlt, der auch für die SELK sehr relevant ist. Er kann unter diesem Link nachgehört werden. Die Autoren haben freundlicherweise auch Ihr Einverständnis dazu gegeben, den Beitrag in Textform zugänglich zu machen – unter diesem Link ist das PDF abrufbar. In „Wer wird Priester und warum?“ beleuchten die Autoren Nikita Katsuba und Matthias Sellmann  eindrücklich die gegenwärtige Krise der katholischen Kirche. Sie beziehen sich dabei auf eine neue Studie des Bochumer Zentrums für angewandte Pastoralforschung, die im Auftrag der katholischen deutschen Bischofskonferenz entstanden ist.

Die Zahl der Priesterweihen ist in Deutschland dramatisch gesunken: In den 1960er-Jahren wurden jährlich rund 500 Männer geweiht, im Jahr 2024 nur noch 29.  Es geht in der Studie jedoch nicht allein um Zahlen, sondern vor allem um Typen, Milieus und Haltungen. Die jungen Priester von heute stammen fast ausschließlich aus einem stark kirchlich geprägten, konservativen Umfeld. Drei Grundtypen wurden in der Studie identifiziert: Der „volkskirchliche Typ“ (rund die Hälfte der Jungpriester) sieht sein Amt vor allem als Dienst an der bestehenden Kirchenordnung und legt Wert auf Loyalität und Stabilität. Der „liturgische Typ“ (ein weiteres Drittel des Priesternachwuchses) lebt besonders aus Gebet und Spiritualität, ist stark auf die Feier der Liturgie konzentriert und weniger auf gesellschaftliche oder organisatorische Aufgaben ausgerichtet. Der „gemeindeorientierte Typ“ schließlich – eine kleine Minderheit – sucht bewusst den Dialog mit der modernen Gesellschaft, ist reformoffen und befürwortet auch die Frauenordination.

Diese Typologie ist bemerkenswert, weil sie zeigt, wie eng das Spektrum priesterlicher Berufungen inzwischen geworden ist. Viele junge Geistliche bewegen sich in Lebenswelten, die vom gesellschaftlichen Mainstream weit entfernt sind. Das führt zu Entfremdung – innerhalb der Kirche wie auch nach außen.

Was die katholische Kirche erlebt, lässt sich auch in der SELK beobachten: Die wenigen nachrückenden Pfarrer stammen häufig aus sehr stark kirchlich geprägten Familien, haben meist konservativ-traditionelle Vorstellungen von Amt, Liturgie und Geschlechterrollen und zeigen ähnliche Motivationsmuster wie die katholischen „volkskirchlichen“ oder „liturgischen“ Typen. Der „gemeindeorientierte“ Typ ist auch bei uns selten.

Damit stellt sich für die SELK dieselbe Frage: Wie offen ist unsere Kirche für unterschiedliche Prägungen, Biografien und Berufungswege? Der Beitrag lädt dazu ein, über Berufung und Vielfalt neu nachzudenken – gerade dort, wo die Frauenordination ausgeschlossen bleibt. Eine lebendige Kirche braucht mehr als Bewahrung – sie braucht Mut zur Weite.

(ms)
09.10.2025

Beitragsbild erstellt von der Redaktion mit Hilfe der KI Midjourney.

7 Gedanken zu „Wer wird katholischer Priester? Wer wird SELK-Pfarrer?“

  1. Das sind interessante Beobachtungen, die zum Teil aber wenig überraschen. Dass ein Großteil des Nachwuchses kirchlich sozialisiert ist und aus frommen Familien kommt, erklärt sich selbst. Es stellt sich allerdings die Frage, warum die Glaubensweitergabe, die dann auch in Berufungen mündet, in konservativen Familien und Gemeinden besser zu gelingen scheint. Wo sind die Früchte der jahrzehntelangen Hegemonie einer liberaleren Theologie? Gerade im katholischen Bereich lässt sich empirisch nachweisen, dass das Aggiornamento der 60er/70er Jahre sich eher negativ auf die Anzahl der Priesterberufungen und der Messbesuche ausgewirkt hat. Evangelischerseits sieht es nicht viel anders aus.

    Als jemand, der selbst eher dem konservativen Lager zuzurechnen ist, bin ich der Meinung, dass auf Beständigkeit, Bewahrung und Bleiben in der Lehre (Apg 2,42; Spr 22,28) ein gewisser Segen liegt. Hermann Sasse spricht diesbezüglich von der „erhabenen Monotonie“ der Verkündigung. Die Kirche sollte gerade in einer Epoche postmoderner Beliebigkeit, rascher Transformationen und allgemeiner Orientierungslosigkeit den Mut haben, wieder mehr als Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit aufzutreten (1. Tim 3,15). Nicht im Sinne der Verkrustung, der Besitzstandswahrung oder einer toten Orthodoxie, aber doch standfest, prinzipientreu und im Geist einer lebendig-fröhlichen Orthodoxie. Viele der Konvertiten; Interessenten und Neugetauften, die ich im Laufe der Zeit kennengelernt habe, hat gerade das angezogen. Insofern führt vielleicht gerade der Mut zur Bewahrung die Kirche in die Weite.

    1. Sehr geehrter Herr Hebold,

      wie schon in den Gemeinden im Neuen Testament gibt es auch heute neben dem Pfarramt noch viele andere Ämter, die Christinnen und Christen in Gemeinde und Gesellschaft übernehmen.

      Nach meiner Beobachtung sind Gemeindepädagoginnen und -pädagogen, Menschen mit christlichem Hintergrund in vielen sozialen Berufen, Religionslehrerinnen und -lehrer und andere häufig aus dem Bereich, den sie mit „liberaler Theologie“ bezeichnen. Ich würde hier eher den Begriff „nahe bei den Menschen“ verwenden. Diese Bewegung hat also in der Kirche dazu geführt, dass es nicht mehr eine reine Pfarrerkirche ist, die es in manchen historischen Phasen wahrscheinlich stärker war, sondern eine Kirche von Christinnen und Christen, die in vielfältiger Weise Gottes Wort verkündigen und ihren Nächsten nahe sind. Sie sind alle in Sinne der Bibelstelle – Beständigkeit, Bewahrung und Bleiben in der Lehre – unterwegs. Das sind die Früchte, nach denen Sie gefragt haben.

      Dass sich nicht mehr viele Menschen für das Pfarramt entscheiden, hat damit zu tun, dass es diese anderen Möglichkeiten gibt, als Christin oder Christ einen Beruf zu wählen, der manchmal besser mit der Familie und anderen Dingen zu vereinbaren ist. In der SELK schließen wir aktuell 50% der Menschen wegen ihres Geschlechts vom Pfarramt aus. Dies ist ein weiterer Grund, warum es zu wenig Pfarrer gibt. Hier sind wir mit der Situation in der katholischen Kirche vergleichbar.

      In der heutigen Zeit benötigen wir besonders Pfarrerinnen und Pfarrer die nahe an den Menschen sind. Wenn sie dann noch eine liturgische Prägung haben ist das gut, nur ist das erste wichtiger. Und nahe an den Menschen sein und Beständigkeit, Bewahrung und Bleiben in der Lehre schließen sich nichts aus.

      Wir haben auch immer wieder Studentinnen und Studenten, die dieses Profil haben. Nur leider gab es in letzter Zeit mehrfach unschöne Vorgänge unter den Studenten unserer Kirche, bei denen die Achtung und Toleranz gegenüber den anderen nicht immer im Mittelpunkt stand. Wir brauchen ein Klima in unserer Kirche, damit unterschiedliche Menschen Pfarrer werden wollen und ihre Talente einbringen. Und mit der Frauenordination gebe es noch mehr Menschen, die auf Grund ihre Berufung Pfarrerinnen sein könnten.

      Thomas Hartung

      1. Lieber Herr Hartung,
        Sie schrieben in Ihrem vorigen Beitrag u.a.: „Nur leider gab es in letzter Zeit mehrfach unschöne Vorgänge unter den Studenten unserer Kirche, bei denen die Achtung und Toleranz gegenüber den anderen nicht immer im Mittelpunkt stand.“
        Ich kenne nun weder diese Vorfälle noch die betreffenden Personen. Könnte es aber vielleicht sein, dass es hier im Kern um das Bewahren der rechten Lehre ging? Etliche unserer jungen Studenten und Pastoren haben es ja nicht nur von zu Hause mitbekommen, sondern auch selbst im Glauben ergriffen: Wie wichtig das Festhalten an der guten Lehre und am Bekenntnis der Hoffnung ist, ganz nach der Verheißung: „Selig sind, die Gottes Wort und hören und bewahren!“ Und sie haben auch erkannt, was es heißt, auch die kleinsten dieser Lehren treu zu bewahren, denn wer diese nicht achtet, der wird nach Jesu Wort auch im Himmel der Kleinste heißen. So ist es ihnen z.B. auch wichtig, das gemeindeleitende Lehrverbot für Frauen auch noch im 21. Jh. zu achten in dem Bewusstsein, dass es ja ein Wort des auferstandenen Herrn Christus ist, wie ja Paulus auch selbst erkannt und geschrieben hat: Wer das nicht anerkennt, der wird selbst nicht anerkannt werden. Und sie wissen auch Martin Luthers Schriftauslegung zu 1. Tim. 2,12 völlig im Einklang damit – an anderer Stelle wurde in diesem Forum einmal darauf Bezug genommen. Diese gute Lehre gilt es zu bewahren. Daraus wird sicher auch der eine oder andere Disput erwachsen, wie es unter Studenten ja eigentlich auch schon immer Tradition hat. Das Wort Gottes kann schließlich auch als scharfes scheidendes Schwert wirken. Das solche mitunter hart anmutende Rede von einigen als intolerant aufgenommen wird, ist sehr schade, bleibt aber nicht aus. Gottes Geist kann hier aber durchaus Ohren und Herzen neu öffnen!

  2. Der Radiobeitrag ist sehr interessant, weil er den Horizont erweitert indem er aufzeigt, wie die heutige Gesellschaft Kirche wahrnimmt. Auch wir als SELK stehen in der Gefahr uns immer mehr von der gesellschaftlichen Entwicklung abzukoppeln.
    Es wird ja gerade von konservativen Pfarren oft betont, das man nicht dem Zeitgeist hinterherlaufen soll. Trotzdem muß man sich die Frage stellen wo können wir auf die Gesellschaft zugehen ohne unsere Glaubensgrundsätze aufzugeben.

  3. Der ideale Pfarrer (den es natürlich nicht gibt 😉 ) verkörpert alle drei Typen in sich nach dem Vorbild von Jesus Christus! Alle drei Seiten hängen zusammen; man kann sie unmöglich voneinander trennen und beurteilen, welche nun die wichtigste ist. Ich bin allerdings der Meinung, dass ohne Beständigkeit in der Lehre und Festhalten am Bekenntnis sowie ausreichend Gebet und Spiritualität keine echte, heil-same Gemeindeorientierung möglich ist.

    Die Frage ist nun: Was bedeutet es, wenn ein Pfarrer „gemeindeorientiert“ sein soll? Einerseits soll er ein offenes Ohr für die Nöte seiner Gemeinde haben und auch den verlorenen Schafen hinterlaufen. Allerdings soll er seiner Gemeinde nicht in einer falschen Weise hinterherlaufen, dass diese den Weg bestimmt und der Pfarrer muss folgen! Vor vielen Jahren hatten wir dazu mal auf einer Berliner Bezirkssynode einen sehr interessanten Gruppenaustausch: Die Rolle des Pfarrers als Hirte? Die Rolle der Gemeinde als Schafherde? Die Rolle des Gemeindeglieds als einzelnes Schaf? Die Ansichten dazu waren durchaus gemischt!

  4. Lieber Herr Hartung,

    dem Kontext des Artikels entsprechend ging es mir um die Früchte bei den Berufungen zum Pfarr- bzw. Priesteramt. Dass es viele liberale Christen gibt, die im diakonischen, pädagogischen, kirchlichen, sozialen Bereich arbeiten oder sich engagieren, ist mir bewusst. Gott sei Dank dafür! Und stellen Sie sich vor: Es soll sogar theologisch-konservative Pfarrer und Christen geben, die nahe bei den Menschen sind! Der entscheidende Unterschied scheint mir darin zu bestehen, was man den Menschen, denen man da so nahe ist, jeweils erzählt.

    VG
    Tim-Christian Hebold

  5. Ist der Unterschied nicht eher darin zu sehen, ob wir anerkennen, dass unsere Erkenntnis vom Wesen Gottes „Stückwerk“ ist und bleibt – und dass wir deshalb uns davor hüten sollten, übereinander und über den Glauben des anderen zu urteilen, sofern wir alle uns im Gehorsam gegenüber Gott und gegenüber SEINEM Wort auf seinen Wegen führen lassen – ob als Studenten der Theologie in Oberursel oder als Gemeindeglieder der SELK?

    Echter Gehorsam gegenüber Gottes Wort ist nicht Gehorsam gegenüber dem Buchstaben, wie ihn ein Saulus (und auch der junge Martin Luther) voller Eifer an den Tag legte,

    sondern ein Gehorsam gegenüber Gottes Gebot, gegenüber dem Doppelgebot der Liebe, ein Gehorsam in der Nachfolge.

    Wie der genau aussieht? Wir sehen an Jesus, dass er sich weder weltlichen Autoritten noch geistlichen Traditionen und Vorschriften unterwarf, denn „man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“!

    Jesu Handeln und Lehren stand im Widerspruch zum Verständnis und zur Auslegung des Wortes Gottes durch Fromme und Schriftgelehrte – vermutlich auch hier und da im Widerspruch zum Verständnis und zur Auslegung des Wortes Gottes durch Fromme und Exegeten in unserer Kirche;

    Jesus, ein Freund der „Sünder und Zöllner“, wohnte mit zwei unverheirateten Frauen zusammen – würde sich nicht so mancher in unserer Kirche über einen solchen Glaubenslehrer „das Maul zerreißen“? Jesus predigte und lebte einen Gehorsam, der sich menschlichen Maßstäben und menschlicher Logik entzog.

    Umso wichtiger ist es, dass wir immer wieder neu darauf hören, was es heißt, im Gehorsam gegenüber Gott und SEINEM Wort als Kirche in dieser Welt zu leben und zu wirken – und uns überraschen lassen von Gottes Führung und seinem Weg mit seiner / unserer Kirche.

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