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Wo steht die SELK, wo stehen wir und wo stehe ich?

Ein Rundbrief über die vergangene Kirchensynode

Liebe Mitantragstellerinnen und Mitantragsteller, liebe Freundinnen und Freunde, liebe SELKies,

am Samstag, 20.09.2025, ist die dritte Sitzung der 15. Kirchensynode in Fulda beendet worden. Viele von uns waren darauf gespannt und haben sie mit Hoffnungen und Ängsten erwartet, auch ich. Ich möchte Euch hier meine Gedanken zu den Beschlüssen, den Umständen davon und dem, was aus meiner Sicht daraus folgt, darlegen.

Was wurde beschlossen?

Das Kernstück und der für die Frauenordinationsfrage wichtige Antrag ist der Antrag 483. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Leitantrag, d.h. er fasst verschiedene Anträge zusammen, die von verschiedenen Akteuren an die Synode gestellt wurden. Darunter den von mir initiierten Antrag  über das friedliche Ausscheiden von Gemeinden und auch den von Hinrich Müller und Johannes Dress („Befürwortende und ablehnende Gemeinden der Ordination von Frauen in der SELK trennen sich innerhalb eines Kirchenkörpers organisatorisch.“), für den vielerorts sehr erfolgreich geworben wurde. Dieser Leitantrag gliedert sich in zwei Teile, die gemeinsam abgestimmt wurden und zusammen gehören.

Teil A geht zurück auf einen Antrag der Kirchenleitung. Er sieht vor, dass eine sog. „Einheitskommission“ gebildet wird, die Wege und Konzepte entwickeln soll, mit denen das Zusammenleben von Befürwortern und Gegnern der Frauenordination gestaltet werden kann. Dabei sind explizit keine Veränderungen der Ordnungen (also auch keine Veränderung der Ordinationspraxis) vorgesehen, es geht schlicht um die Gestaltung des Nebeneinander bei entschiedenerSachlage (dass Frauen nicht ordiniert werden können). Darauf folgt ein Teil B, der parallel dazu eine sog. „Trennungskommission“ vorsieht. Die arbeitet an konkreten Trennungsszenarien. Explizit sind die Trennung in zwei Kirchen und das Ausscheiden einzelner Gemeinden genannt. Sie soll rechtliche und organisatorische Hürden identifizieren und bearbeiten und als Ansprechpartner für Kirchenleitung und Gemeinden dienen. Für beide Kommissionen ist der Zeitrahmen begrenzt bis zur nächsten Synodalperiode, die 2027 beginnt.

Hintergrund und Entstehung des Leitantrags

Diesem Antrag gehen eine Fülle von Anträgen und Perspektiven voraus, die teilweise sehr gegensätzlich sind. Aus meiner Sicht gibt es dabei zwei Konfliktlinien, die nicht an derselben Stelle verlaufen: Die erste und allen bekannte Konfliktlinie verläuft zwischen Befürwortern und Gegnern der Frauenordination. Diese ist sehr statisch und da gibt es wenig Bewegung. Klar ist, dass für eine Ordnungsänderung, die die Frauenordination ermöglichen würde, den Befürwortern in den entscheidenden Gremien die Mehrheiten fehlen. Die Gegner müssen zunehmend anerkennen, dass es eine große Masse Befürworter gibt, die nicht mehr still bleiben können oder wollen. Kompromissbereit sind die Gegner aber trotzdem nicht: Sie leiden wie wir, sehen aber keine Möglichkeit der tatsächlichen Veränderung.

Die zweite Konfliktlinie verläuft zwischen Vertretern der Einheit und Vertretern der Trennung. Diese Linie ist nicht so eindeutig und wesentlich dynamischer. In der Vergangenheit war eine große Mehrheit stets für die Einheit der Kirche. Niemand wollte ernsthaft (zumindest nicht öffentlich und offiziell) über eine Trennung nachdenken. Das hat sich spätestens mit dem 15. Allgemeinen Pfarrkonvent verändert. Aber auch auf der Befürworterseite gab es bis dahin  meiner Auffassung nach für eine Trennung keine uneingeschränkte Mehrheit. Zugleich gibt es nun eine wachsende Gruppe aus dem konservativen Lager, die eine Trennung befürworten. Diejenigen, die nach wie vor eine Trennung mit aller Kraft zu vermeiden suchen, sind m.E. die, die offensichtlich am Meisten zu verlieren haben: Alteingesessene SELKies, die keine der beiden „Extrempositionen“ vertreten, d.h. mit der anderen Meinung grundsätzlich leben können (z.T. solange sie nicht kirchliche Realität wird), aus Gemeinden kommen, die sich nicht klar positionieren und für die eine Trennung an die Substanz geht. Und ganz entscheidend ist, dass die Kirchenleitung größtenteils zu letzterer Gruppe zählt.

Auch wenn das Trennungslager bei den Befürwortern wächst, so bleiben diese vier Pole. Jede(n) SELKie könnte man vermutlich wie in ein politisches, auch in ein Frauenordinations-/Einheitskoordinatensystem einordnen. Der Antrag 483 trägt dieser vier Realitäten unserer Kirche, die alle miteinander zu tun haben, Rechnung. Und alle Seiten sind dabei Kompromisse eingegangen.

Was sind Zugeständnisse und wo sind Errungenschaften?

Dieser Antrag hält ganz Entscheidendes fest. Der Abschnitt über die Einheitskommission begründet ganz grundsätzlich, dass eine Ordnungsänderung seitens der Kommission nicht vorgesehen ist und für den Erhalt der Einheit nicht das Ziel darstellt. Die SELK in ihrer kirchlichen Einheit wird die Frauenordination nicht einführen. Es stünde Einzelpersonen frei, Ordnungsänderungen zu beantragen, entsprechende Beschlüsse würde die Synode jedoch vermutlich aufgrund der derzeitigen Zusammensetzung nicht fassen. So wie ich den Beschluss interpretiere, sprechen sich Kirchenleitung und Synode implizit  gegen eine Ordnungsänderung aus. Der Teil A macht von Befürworterseite das Zugeständnis, dass wir im Gespräch miteinander bleiben und die Realität anerkennen, dass eine Ordnungsänderung mit kirchlicher Einheit nicht realistisch ist.

Die große Errungenschaft zeigt sich für mich im B-Teil. Zum ersten Mal reden wir offiziell von der Möglichkeit einer Trennung. Es sollen konkrete Wege ermittelt und analysiert werden und es gibt einen offiziellen Ansprechpartner für alle Gemeinden. Das ist von der konservativen Seite ein Zugeständnis und für uns alle ein Gewinn. Es ermöglicht der ganzen Kirche, dass wir uns gemeinsam auf einen Weg begeben können, auch mit der Möglichkeit, dass wir am Ende nicht mehr eine gemeinsame Kirche sind. Eine Absichtserklärung der Synode für eine Trennung der Kirche ist damit natürlich noch nicht erreicht, aber selbst wenn sie diesen Schritt auch in 2027 nicht gehen sollte, so hätten die Gemeinden zumindest die Arbeit der Kommission als Unterstützung für ihre eigenen möglichen Ambitionen.

An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich für die Arbeit des Ausschusses auf der Synode bedanken, der diesen Leitantrag formuliert hat. Dieser Antrag hat es geschafft mit 43 von 46 Stimmen fast einstimmig einen Beschluss zu einem Thema zu fassen, das kontroverser nicht sein könnte. Für beide Seiten war der Weg zu diesem Antrag mit Zugeständnissen verbunden und beide Seiten haben sich trotzdem darauf eingelassen. Für die synodale Arbeit ist er ein wirklich gutes Stück, das uns voranbringt.

Und was jetzt?

Und trotz allen Lobes für die Arbeit des Ausschusses und der Synode ist natürlich klar, dass er für viele Menschen und Gemeinden in der SELK eine Enttäuschung darstellt und absolut ungenügend ist. Am Ende bleibt stehen: Die Frauenordination wird nicht eingeführt. In diesem Punkt folgt die Synode dem APK. Für alle, die davon enttäuscht sind, gibt es aus meiner Sicht verschiedene Handlungsoptionen.

In jedem Fall sollten die Gemeinden ihre Enttäuschung produktiv nach außen tragen. Aus der Petition mit über 1500 Unterschriften und den zahlreichen Anträgen aus Balhorn, Essen, dem Kirchenbezirk Hessen-Nord, von Hinrich Müller und Johannes Dress (mit über 1000 Unterzeichnenden) und auch mir selbst (mit über 200 Unterzeichnenden)  ist deutlich geworden, dass eine Veränderung der Ordinationspraxis das Einzige ist, was eine Trennung der SELK wirklich verhindern könnte. Durch das Ausschließen dieser Option hat die Kirchensynode ganz klar den Weg aufgezeigt, den sie Gemeinden weist, die eine solche Einheit nicht bereit sind mitzugehen.

Jetzt liegt es an den Gemeinden, angemessen darauf zu reagieren. In den folgenden zwei Jahren und darüber hinaus können sie sowohl die Kompetenzen der „Einheitskommission“ als auch die der „Trennungskommission“ für ihren eigenen Umgang mit der Situation nutzen. Und sie können für sich selbst beginnen zu schauen: Was würde es tatsächlich bedeuten, wenn wir uns von der SELK trennen? Gibt es vielleicht Gemeinden um uns herum, die sich anschließen würden? Die Klärung der eigenen Position, die Vernetzung mit anderen Gemeinden, Pfarrern und Organisationseinheiten und das Schauen auf praktische Fragen und Handlungsoptionen sind jetzt unerlässlich, um ein langsames erodieren der Gemeinden zu verhindern. Die Menschen, die unter den nun beschlossenen Vorzeichen nicht mehr Teil dieser Kirche sein möchten, benötigen ein Zeichen ihrer Gemeinden, dass diese darauf hinarbeiten, an dem gegenwärtigen Zustand etwas zu verändern.

Gut ist, dass m.E. eine gewisse Klarheit herrscht: Es ist eindeutig, dass die Kirche sich im Gesamten in der Frauenordinationsfrage nicht bewegen wird. Der Kampf für die Frauenordination ist vorbei. In der Begründung zu dem Antrag „Friedliches Ausscheiden von Gemeinden“ heißt es: „Wenn die 15. Kirchensynode auf ihrer Sitzung 2025 keine erkennbaren Schritte einleitet, um die Frauenordination in der nahen Zukunft wenigstens in Gemeinden zu ermöglichen, die dies ausdrücklich wünschen, dann wollen sie die SELK gemeinsam mit ihrer gesamten Gemeinde verlassen.“ Die Synode hat diese Schritte nicht eingeleitet und so ist für mich der nun zu gehende Weg vorgezeichnet. Die Synode eröffnet allen, die diesen Antrag unterstützt haben, die Perspektive, dass wir möglicherweise nicht allein gehen müssen, sondern neue Strukturen geschaffen werden können. Das kann eine neue Kirche, einen Kirchen-/Gemeindeverbund oder auch etwas ganz anderes bedeuten. Wie auch immer: Die Arbeit an neuen Strukturen beginnt für die Kirche und für jede einzelne Gemeinde genau heute. Stellen wir uns dieser Aufgabe und machen wir uns an die Arbeit. Ich sehe meine Zukunft weiter in der Salemsgemeinde Tarmstedt. In der SELK sehe ich sie nicht, bin aber guter Hoffnung und in dem Wissen, dass ich nicht allein bin.

Noah Rothfuchs
(02.10.2025)

4 Gedanken zu „Wo steht die SELK, wo stehen wir und wo stehe ich?“

  1. Danke lieber Noah Rotfuchs, für deine Ausführungen und klaren Darstellungen zur Frage der Frauenordination in der SELK!
    Damit ist es auch für uns Laien möglich, diese Argumentation weiter zu verbreiten, um zu einer guten Lösung für die Ordinationsmöglichkeit von Frauen in der SELK zu kommen.
    Ich danke Dir sehr herzlich für deine mutige und kompetente Weise, sich dieses Themas anzunehmen.
    Herzlichen Gruß
    Norgard Steffen
    Kreuzgemeinde Witten

  2. Ich bedanke mich recht herzlich für die umfangreiche Zusammenstellung der Ergebnis der Synode zu dem Leitantrag Nr. 483. Ich fand die bisher von mir gelesene Berichterstattung zur Synode auf der homepage und den SELK Infos nicht aussagekräftig genug, um mir ein Bild über die aus dem gefassten Beschluss resultierenden Konsequenz zu machen. Darum danke ich sehr für diese umfassende Info. Ich halte die Frauenordonation als dringend erforderlich sowie ein umdenken der dazu gefassten konträr gefassten Beschlüsse.
    Herzlichen Dank für diese wertvolle Erarbeitung
    In geschwisterlicher Verbundenheit
    Reinhold Rauch

  3. Liebe Geschwister,
    gibt es jetzt eine neue, einseitige Auswahl von veröffentlichten Kommentaren?
    Die schwerwiegenden letzten Beiträge haben nur Dank und Anerkennung erfahren!?
    Falls hier eine bewusste Entscheidung zu Grunde liegt und eine Neuausrichtung der Seite vorliegt, wäre es m.E. wünschenswert, wenn sie klar benannt würde.
    Mit freundlichem Gruß,
    Bodo Hauenschild.

    1. Sehr geehrter Herr Hauenschild,

      vielen Dank für Ihren Kommentar und die damit verbundene Anfrage. Wenn ich Sie richtig verstehe, fragen Sie, ob wir etwaige kritische Kommentare nicht (mehr) veröffentlichen? Das ist nicht der Fall. Nach wie vor gelten die Spielregeln der respektvollen Kommunikation und dass alle Kommentierenden sich mit ihrem vollen Namen identifizieren, ansonsten freuen wir uns über jedes – auch kritische – Feedback.

      Tatsächlich beobachten wir, dass das Interesse insbesondere derjenigen Geschwister, die gegen die Frauenordination sind, an unseren Beiträgen – soweit sich das an Kommentaren festmachen lässt – seit der Sitzung der Kirchensynode im September merklich nachgelassen hat.

      Mit freundlichen Grüßen
      Michael Sommer
      Redaktion „Mitten aus der SELK“

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