Die Diskussion um die Ordination von Frauen bewegt derzeit viele in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). Beim 15. Allgemeinen Pfarrkonvent in Hofgeismar wurde dieses Thema intensiv beraten – mit einem Ergebnis, das nicht nur Fragen aufwirft, sondern auch Anlass zu großer Sorge gibt. Eine Gruppe von Pfarrern im aktiven Dienst der SELK hat nun eine Erklärung veröffentlicht, in der sie sich klar für die Gleichwertigkeit und Wertschätzung des Dienstes von Frauen in der Kirche ausspricht. Sie warnen eindringlich vor Entwicklungen, die den Grund lutherischer Theologie verlassen könnten, und rufen zu einer behutsamen, christuszentrierten Weiterentwicklung der Kirche auf. Die Erklärung trägt den Titel: „Kirche in Freiheit, Vielfalt und Weite – aus gutem Grund, auf gutem Grund.“
+++ Update: Am 10.07. wurde eine revidierte Fassung der Erklärung veröffentlicht. Die Unterzeichner teilen dazu Folgendes mit: „Einzelne Formulierungen der Erklärung vom 04.07.2025 sind so verstanden worden, als sollten theologische Gespräche und Fragen durch eine Lehrverurteilung beendet werden – Das Gegenteil ist der Fall. Eine Lehrverurteilung haben wir nicht aussprechen wollen. Auch die Kirchengemeinschaft haben wir niemandem aufgekündigt. Für die missverstehbaren Formulierungen bitten wir um Entschuldigung. Das lag und liegt nicht in unserer Absicht.“ +++ Hier nun der Text in der revidierten Fassung, das Original ist hier abrufbar.
Kirche in Freiheit, Vielfalt und Weite – aus gutem Grund, auf gutem Grund.
Revidierte Erklärung von Pfarrern im aktiven Dienst der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK)
Der 15. Allgemeine Pfarrkonvent (APK) in Hofgeismar (23.-27.6.2025) hat über die Möglichkeit der Ordination von Frauen beraten. Als Beratungsergebnis stellt der APK fest, dass eine Mehrheit seiner Mitglieder eine Praxis, nach welcher in einzelnen Gemeinden auch Frauen als ordinierte Pastorinnen dienen können, aktuell für praktisch und theologisch nicht vorstellbar hält.
Dies ist eine Zustandsbeschreibung, die wir als stimmberechtigte Mitglieder des Allgemeinen Pfarrkonvents bedauern. Durch das auf dem APK erhobene Meinungsbild mit seinem knappen Ergebnis wurde deutlich, dass es in den diskutierten Themen zur Frage der Ordination von Frauen keine Einmütigkeit gibt.
Eine theologische Auseinandersetzung wurde auf dem APK nicht geführt. Widersprüchlich wahrgenommene Positionierungen jeweils auf der Grundlage von Schrift und Bekenntnis insbesondere zur Lehre vom Amt, der Lehre von der Schrift und der Lehre von der Kirche traten zutage. Wir meinen, dass in diesem Zusammenhang deutlich gemacht werden sollte, woran die Heilsgewissheit festgemacht wird. Wir halten es für geboten, diese Dinge theologisch zu klären.
Erschrocken sind wir über eine auf dem APK deutlich gewordene Infragestellung geltender Ordnungen zum Dienst von Frauen in unserer Kirche. Wir sagen mit aller Entschiedenheit: Kein Schritt zurück! Unsere Kirche lebt an vielen Orten vom gleichberechtigten Dienst begabter Frauen und Männer in verschiedenen kirchlichen Aufgabenbereichen. Ihnen gebührt höchste Wertschätzung und nicht Infragestellung.
Wir schätzen die SELK als eine Kirche auf festem Glaubensgrund, die das Evangelium von der befreienden Gnade Gottes ins Zentrum stellt. Sie ist eine Kirche mit verlässlicher Botschaft in unserer Zeit. Mit vielfältigen Formen des Glaubenslebens und aus unterschiedlichsten Lebenswelten versammeln sich Menschen in unserer Kirche um die eine rettende Botschaft von Jesus Christus. Dieses Evangelium führt zu einer Kirche in Freiheit, Vielfalt und Weite – aus gutem Grund, auf gutem Grund.
Damit wir Kirche mit verlässlicher Botschaft in unserer Zeit bleiben, setzen wir uns ein für eine behutsame, christuszentrierte Weiterentwicklung unserer SELK. Wir tun das in Verantwortung für den Glauben und die Kirche, die wir geerbt haben. In dieser Richtung wollen wir weiter Schritte gehen, insbesondere im Hinblick auf die anstehende Kirchensynode. Wir danken allen Gemeinden, die in ihren von der Synode erbetenen Voten ihre Meinungen bekannt gemacht haben. Wir schätzen den unermüdlichen Einsatz und jedes Gebet für die Zukunft unserer Kirche.
Donnerstag, der 10. Juli 2025
(Unterzeichnet von 32 Pfarrern der SELK, hier das Original-PDF)
(ms)
16.07.2025

Diese Stellungnahme von 31 Pfarrern der SELK habe ich als Pfarrer im Ruhestand persönlich als E-Mail zugeschickt bekommen, und ich habe den Unterzeichnern auch persönlich darauf geantwortet. Da die Stellungnahme nun also veröffentlicht ist und da ich es für nötig halte, einiges darin richtigzustellen, mache ich hier auch meine Erwiderung öffentlich. Sie ist zu finden unter http://www.themenkasten.de/erwiderung.pdf
Kirche in Freiheit, Vielfalt und Weite – aus gutem Grund, auf gutem Grund!
Über das Statement, unterzeichnet von 31 Pfarrern unserer Kirche habe ich mich sehr gefreut.
Viele der Personen, die sich nun öffentlich dazu geäußert haben, dass in unserer Kirche offensichtlich einige den Weg von Luthers Befreiungstheologie verlassen haben, kenne ich persönlich. Es bedeutet mir deshalb um so mehr, zu wissen dass Menschen und eben auch Pfarrer, denen ich vertraue und die ich sehr wertschätze diese Gefahr wahrnehmen und sich dem Weg nicht anschließen. Es macht mir Mut und gibt mir Kraft nicht alles aufzugeben.
GOTT sei DANK!
Stefanie Krüger, Münster
Ich finde die Veröffentlichung einer solchen Erklärung zum jetzigen Zeitpunkt befremdlich. Hätten die Unterzeichner ihre Bedenken nicht direkt auf dem APK ansprechen können? Und falls sie noch Bedenkzeit benötigten: Warum äußern sie ihre Befürchtungen und Sorgen nicht zunächst vertraulich im Zirkel der Pfarrerschaft? Weshalb treten sie in der momentan ohnehin schon angespannten Lage gleich öffentlich in Erscheinung? Es hat leider den Anschein, als wolle man sich hier vor allem kirchenpolitisch positionieren und den reformgesinnten Gemeindegliedern signalisieren, dass man nicht zu den konservativen Verhinderern (katechon?) gehört. Darüber hinaus entbehrt es nicht der Ironie, die „Infragestellung geltender Ordnungen“ durch Amtsbrüder zu monieren, während man selbst gegen die Grundordnung Sturm läuft.
Reaktion auf den offenen Brief von Pfarrer Matthias Krieser
Ich danke den Unterzeichnern der Erklärung, die mit ihrem Namen dafür einstehen und klar Position beziehen. Mit vielen von ihnen habe ich während meiner Zeit als Gemeindepastor in der SELK gern und vertrauensvoll zusammengearbeitet.
Mit diesem Kommentar möchte ich auf den offenen Brief von Matthias Krieser eingehen, den er oben verlinkt hat. Als Vertreter einer bestimmten kirchlichen Richtung, die ich im Folgenden näher beschreiben werde, argumentiert er klar und eindeutig. Anhand seiner Argumentation möchte ich zeigen, vor welcher grundlegenden Entscheidung die SELK steht.
Meine Grundthese lautet:
Die SELK – und nicht nur sie – steht vor der Wahl:
Will sie eine „Kirche in Freiheit“ sein – oder eine „Kirche der Unterordnung“?
Eine Kirche in Freiheit kann Spannungen und Widersprüche aushalten. Sie verfügt über Ambiguitätstoleranz. Sie erträgt es, dass Menschen innerhalb der Kirche unterschiedliche Antworten auf die Frage der Frauenordination geben – und diese auch leben.
Eine „Kirche der Unterordnung“ hingegen vertritt ein festgefügtes Bild davon, wie Kirche zu sein habe. Dieses Bild, so ihre Vertreterinnen und Vertreter, lasse sich direkt aus der Heiligen Schrift als dem Wort Gottes ableiten – und wird dadurch als göttlich legitimiert verstanden. Freiheit und Vielfalt gelten in diesem Modell nicht als Ausdruck gelebten Glaubens, sondern als Bedrohung. Ordnung wird dann zum Instrument, um dieses vermeintliche Chaos einzudämmen – notfalls mit Hilfe von Autorität und Macht.
Freiheit und Vielfalt machen Angst. Deshalb wird versucht, sie durch Lehre, göttliche Ordnungen und theologische Dogmatik zu begrenzen. Bei Matthias Krieser klingt das so:
„Evangeliums-gemäße Freiheit bedeutet ja nicht Autonomie, sondern freiwillige Unterordnung unter Gottes Willen nach Christi Vorbild.“
Die zentrale Frage ist also: Freiheit oder Unterordnung?
Damit ist die SELK Teil eines größeren gesellschaftlichen und globalen Prozesses. Die liberale Demokratie ist in vielen Regionen gefährdet – derzeit besonders sichtbar in den USA und Russland, aber auch in Ländern wie Ungarn oder Polen. Die Gegner der Freiheit versprechen Ordnung – durch autoritäre Gesellschaftssysteme. Auffällig ist, dass dies fast immer mit der Einschränkung von Freiheitsrechten für Frauen, queere Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte oder andere Minderheiten einhergeht. In all diesen Fällen wird der christliche Glaube herangezogen, um vermeintlich „göttliche Ordnungen“ zu begründen – Ordnungen, die letztlich auf Unterordnung zielen.
In der SELK verdichtet sich diese Grundsatzfrage aktuell in der Debatte um die Ordination von Frauen. Die Vertreterinnen und Vertreter einer „Kirche der Unterordnung“ erklären dieses Thema für kirchentrennend – und machen es damit faktisch auch zu einer solchen. Der Pfarrkonvent hat festgestellt, dass derzeit eine Mehrheit seiner Mitglieder „aus theologischen Gründen ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Praxis der Ordination von Frauen und der Ablehnung dieser Praxis“ nicht für möglich hält.
Kirche in Freiheit – oder Kirche der Unterordnung?
Am Ende ist es – wie in der Gesellschaft – eine Machtfrage: Wer setzt sich durch?
Eine Kirche in Freiheit wird Raum lassen für widersprechende und von der Mehrheit abweichende Lehrmeinungen und Praxen.
Eine Kirche der Unterordnung hingegen versteht Vielfalt nicht als Ausdruck theologischer Pluralität oder ethischer Differenz, sondern als Abweichung vom vermeintlich einzig richtigen Weg. Für sie ist – und hier zitiere ich erneut Matthias Krieser – „christliche Vielfalt (…) die Vielfalt der Gaben in der Einheit des Glaubens.“
Dieses Verständnis von „Einheit des Glaubens“ verlangt Unterordnung unter eine vermeintlich einheitliche Kirche und eine absolut gesetzte „Wahrheit der christlichen Lehre“.
Da bleibt kein Raum für eine Kirche in Freiheit, Vielfalt und Weite.
Pfarrer Jochen Roth, Lehrte-Arpke, den 6. Juli 2025
Sehr geehrter Pfarrer Roth,
1. Sind Sie tatsächlich der Meinung, dass die Psychopathologisierung (Angst vor Freiheit und Vielfalt) der Andersdenkenden – in diesem Fall derjenigen Konservativen, die das Thema FO für kirchentrennend halten – der von Ihnen vertretenen Vielfalt förderlich ist?
2. Treten Sie in Ihrer Landeskirche im Sinne der Vielfalt auch aktiv dafür ein, dass Gegner der Frauenordination ihre theologischen Ansichten offen vertreten können, ohne dafür dienstrechtliche oder soziale Konsequenzen befürchten zu müssen?
Lieber Pfarrer Roth,
wir haben zum Glück Meinungsfreiheit in unserem Land und jeder darf hier schreiben, was er oder sie denkt. Zur Meinungsfreiheit und Demokratie gehört aber auch Transparenz. Ich habe mir sagen lassen, Sie seien gar kein Pfarrer unserer Kirche [mehr]. Das hätten Sie fairerweise dazu sagen sollen, wenn Sie schon mit „Pfarrer“ unterschreiben.
Der lebendige Glaube an Jesus Christus befreit mich dazu, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.
Ihr Ansatz, einen Parallelität zu sehen zwischen der aus dieser Freiheit des Christenmenschen resultierenden freiwillige Annahme der lebensspendenden göttlichen Schöpfungsordnung einerseits und der bedauerlicherweise in der Welt herrschenden Todessehnsucht nach autoritären Staatenlenkern und sonstigen Goldenen Kälbern, denen man dienen kann, finde ich ziemlich abwegig.
Im Übrigen fielen die Beschlüsse des diesjährigen APK mit einer Mehrheit von mehr als zwei Dritteln. Wer von Demokratie redet, sollte solche Beschlüsse dann auch akzeptieren können.
Herzliche Grüße
ein bekennender Christ und überzeugter Demokrat
Es ist bemerkenswert und völlig paradox, dass immer diejenigen, die nur eine Meinung zulassen, mit der Meinungsfreiheit argumentieren, wenn ihre Meinung infrage gestellt wird.
Mit deutlicher Mehrheit hat sich der APK zum Thema „Frauenordination in der SELK“ positioniert. Diese Mehrheit war übrigens nicht an einer weiteren Bearbeitung des Themas interessiert. Ich wünschte mir – ehrlich gesagt – dass sich unsere Kirche hier ein Moratorium auferlegt, um Zeit, Kraft und Geld in sinnvollere Dinge zu investieren.
Weitere ernsthafte theologische Arbeit „hinter den Kulissen“ unter den Amtsbrüdern, gerade auch was das grundlegende Schriftverständnis anbetrifft, hielte ich aber für dringend notwendig. Es gibt ja noch weitere Fragen, die mit der Zeit aufgekommen sind, z.B.: Wer legt eigentlich fest, wer Mann bzw. Frau ist? Die Gesellschaft? Jeder Einzelne? Oder am Ende doch Gott, unser HERR?
Die 31 spalten die SELK, denn seit dem Beschluss des APK war klar: Wer jetzt weiter für die Frauenordination agitiert, distanziert sich damit von der Kirche. In dem Schreiben kommt dies unter anderem in dem Damnamus gegenüber denen zu tragen, die einen Zweifel an der Gültigkeit und Wirklichkeit von durch Frauen verwalteten Sakramenten haben. Ein prominenter promovierter Theologe und Pfarrer unserer Kirche aus dem Kirchenbezirk Berlin-Brandenburg hat bereits erklärt, dass er die Verurteilung seiner Lehre ernst nimmt und angekündigt, mit den Unterzeichnern der Erklärung, keine Kirchengemeinschaft mehr zu praktizieren. So weit sind wir mittlerweile. Die Kirchengemeinschaft innerhalb der SELK hängt am seidenen Faden. Ich selber muss für mich bekennen, dass ich auf dem APK naiv gewesen bin und bereue es heute, beim Abschlussgottesdienst mit den 31 zum Abendmahl gegangen zu sein.
Sehr geehrter Herr Pfarrer Hammer,
danke für Ihren Kommentar. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, glauben Sie, dass der Beschluss des 11. APK von 2009 aufgehoben wurde: „Das Vorhandensein der beiden Positionen zu dieser Frage wird derzeit nicht als kirchentrennend erachtet.“ Bitte seien Sie doch so freundlich, zu erläutern, wann und wo dieser Beschluss aufgehoben wurde. Wenn ich richtig informiert bin, hat der APK gerade zur Frage der Bekenntnisrelevanz und damit der Kirchentrennung KEINE Entscheidung getroffen. Aber das wissen Sie als Teilnehmer des APK sicher besser. Weiterhin würde mich sehr interessieren, was Sie sich vom APK gewünscht hätten, bzw. wofür Sie votiert hätten, wenn Sie nicht „naiv“ gewesen wären, wie Sie schreiben.
Herzliche Grüße
Michael Sommer
Dass Sie heute bereuen, mit den 31 Amtsbrüdern das Abendmahl gefeiert zu haben, berührt mich sehr. Denn das Mahl des Herrn ist kein politisches Signal, sondern Ausdruck der Einheit, die nicht durch vollständige Übereinstimmung entsteht, sondern durch die gemeinsame Ausrichtung auf Christus. Wenn man sich in dieser Mitte nicht mehr begegnen kann, dann ist das nicht das Werk der „31“, sondern ein Zeichen dafür, dass verlernt wurde, in aller Unterschiedlichkeit Brüder und Schwestern zu bleiben.
@Herr Wilde, da auch andere mich danach gefragt haben, will Ich auch Ihnen die Begründung für meine Aussage geben: Ich habe geschrieben, dass ich es bereue, mit den 31 beim APK zum Altarsakrament gegangen zu sein. Das habe ich ganz bewusst geschrieben, denn in der Sakramentsgemeinschaft drückt sich aus, dass man das gleiche lehrt, glaubt und bekennt. Das war zum Zeitpunkt des APK wohl nicht der Fall. Sonst hätten die 31 in ihrem ersten Schreiben mich und andere Pfarrer der SELK (einschließlich unseres Bischofs) nicht verdammt und für außerhalb der lutherischen Kirche stehend erklärt, indem sie schrieben: „Wir halten es für unvereinbar mit Schrift und Bekenntnis, wenn Amtsträger der Kirche die Heilsgewissheit an irgendetwas anderem festmachen als dem befreienden Wort Go\es, zum Beispiel an äußeren Ordnungen oder Eigenschaften des Amtsträgers.“ Ich mache aber z.B. die Heilsgewissheit beim Sakrament der Taufe auch davon abhängig, dass als äußere Ordnung Wasser dazu benutzt wird oder beim Abendmahl Brot und Wein. Außerdem habe ich keine Gewissheit, dass es überhaupt eine Taufe oder ein Abendmahl ist, wenn eine Frau es verwaltet. Ich wäre also von der Lehrverurteilung getroffen und hätte deswegen beim APK nicht zum Sakrament gehen dürfen. Ich hoffe, dass ich mich verständlich ausgedrückt habe.
So weit ist es also schon gekommen, dass Sie die Abendmahlsgemeinschaft mit anderen Christen bereuen, weil die eine andere Meinung haben als Sie? Wer betreibt hier eigentlich Spaltung? Ein Theologe, der es nicht schafft, die Meinung eines Amtsbruders auszuhalten, ohne gleich von Exkommunikation zu reden, ist in meinen Augen noch weit von dem entfernt, was der Presbyter Johannes unter dem Band des Friedens versteht.
Sehr geehrter Herr Dr. Sommer,
Sie legen mir Dinge in den Mund, die ich nicht gesagt habe (aber dafür sind Sie ja bekannt). Die Erklärung des APK von 2009, die ich aus verschiedenen Gründen (u.a. aufgrund von Logikfehlern) für hochproblematisch halte, gewährt Meinungs- und Gewissensfreiheit für diejenigen, die persönlich der Meinung sind, dass Frauenordination vereinbar mit dem Wortlaut der Heiligen Schrift und der lutherischen Bekenntnisse sei und dass diese Meinung „derzeit“ nicht kirchentrennend sei. Sie besagt nicht, dass diese Privatmeinung gleichberechtigt neben der Lehre der Kirche stehen darf (auch wenn das von manchen so missverstanden wurde bzw. wird) und erlaubt daher auch nicht, diese private Lehrmeinung als die Lehre der Kirche auszugeben. In keiner Weise schützt sie die aggressive Agitation gegen die Grundordnung der SELK, wie zum Beispiel Sie sie unter anderem mit dieser Plattform betreiben. Dass Sie interessiert, was ich mir gewünscht hätte bzw. wofür ich votiert hätte, kann ich mir vorstellen, es geht Sie aber nichts an.
Mit freundlichen Grüßen
Felix Hammer, Pfarrer
Sehr geehrter Herr Pfarrer Hammer,
danke für Ihre Antwort. Ich weise Sie darauf hin, dass ich keinen Doktortitel führe. Ich bedaure, wenn ich Sie missverstanden habe und freue mich auf Hinweise dazu, wo ich Ihnen Ihrer Ansicht nach „Dinge in den Mund“ gelegt habe. // Wenn ich Sie nun richtig verstanden habe, wurde der Beschluss von 2009, den Sie für „hochproblematisch“ halten, also nicht aufgehoben. Das bedeutet, dass es gültige Lehre in der SELK ist, dass im Wortlaut dieses Beschlusses beide Positionen in der Kirche „vorhanden“ sind und diese Tatsache nicht kirchentrennend ist. Weiterhin hat der 15. APK beschlossen: „Der Allgemeine Pfarrkonvent sichert denjenigen, die für die Ordination von Frauen eintreten, geschwisterliches Miteinander, Respekt für ihre Position und Hörbereitschaft für ihre Anliegen zu.“ Ich gehe davon aus, dass Sie sich diesem Beschluss verpflichtet fühlen. // Wenn Sie von „aggressiver Agitation“ schreiben, macht mich diese Wortwahl sehr betroffen. Wir freuen uns jederzeit über Hinweise, wenn wir Fehler gemacht oder jemandem mit aggressiven Formulierungen verletzt haben sollen, denn das wollen wir gerade vermeiden. Insofern: Bitte kritisieren Sie unsere Arbeit, aber wirklich hilfreich ist diese Kritik, wenn Sie konkret und nicht pauschal erfolgt.
Herzliche Grüße
Michael Sommer
„Der Allgemeine Pfarrkonvent sichert denjenigen, die für die Ordination von Frauen eintreten, geschwisterliches Miteinander, Respekt für ihre Position und Hörbereitschaft für ihre Anliegen zu.“ Dem habe ich auf dem APK zugestimmt. Die 31 haben sich mit ihrer Erklärung nicht daran gehalten und den Beschluss aufgekündigt.
Lieber Felix,
Schade, dass du das so siehst. Die Gemeindeglieder der SELK, die nicht beim APK waren haben jedoch nur die Beschlüsse der Mehrheit hören dürfen, die sich eindeutig gegen die FO richten. Respekt und Hörbereitschaft beinhaltet jedoch auch, das Positionen von Minderheiten auch öffentlich geäußert werden dürfen. Mich bestärkt es sehr, dass diese Minderheit eine doch beachtliche Anzahl von 31 Pfarrern ist. Dein Gemeindeglied Friederike
„Kirche in Freiheit, Vielfalt, Weite“ – da scheint mir nicht verstanden worden zu sein, dass die eigene Freiheit immer da aufhört, wo die des anderen anfängt. Wer hart erarbeitete Mehrheitsbeschlüsse nicht akzeptieren kann und sie in dieser Weise zu unterlaufen versucht, geht massiv über die Grenzen der anderen. Das Gerede von Einheit: Wo Pastoren sich aus gutem Grund nicht mehr vorstellen können, mit den 31 zum Abendmahl zu gehen, da ist die Spaltung bereits da, völlig gleich, ob bisher als kirchentrennend angesehen oder nicht!
Man kann Glauben oder Kirche übrigens nicht erben, nur im Jetzt leben. Und gelebter Glaube ist sicher immer christuszentriert – und somit von Wahrheit und Liebe bestimmt. Würde die Liebe nicht sagen: Ich bin für FO – und lasse den anderen ihren Glauben. Ich gehe dahin, wo FO bereits vorhanden ist, und nehme den Verlust an Status und Kontakten um meiner Überzeugung willen in Kauf? Statt dessen wird mit einer Rücksichtslosigkeit versucht, sich selbst und seine Überzeugung durchzusetzen, die in einer Kirche nichts zu suchen hat (ich verzichte an dieser Stelle auf weitere Beispiele). Das ist ein Geist, der niemals christuszentriert sein kann, sondern einer, dem mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten ist. Und ich hoffe inständig, dass dies jetzt auch passieren wird.
Liebe Frau Eziuka, bevor Sie anderen den Glauben und die Liebe absprechen, sollten Sie sich fragen, wie Sie es selbst mit der Liebe halten! Wieso funktioniert die christliche Liebe in ihrer Vorstellung immer nur von der anderen Seite zu Ihnen? Warum sind Sie in der unermesslichen Liebe Gottes denn nicht genauso bereit zu sagen: Ich bin gegen FO – und lasse den anderen ihren Glauben! Wir finden einen Weg wie wir gemeinsam in einer Kirche leben können!
Merken Sie denn gar nicht, dass Sie selbst den von Ihnen geforderten Maßstäben der Liebe und des Glaubens widersprechen? Wer hat denn eigentlich in dieser Sache die Abendmahlsgemeinschft in Frage gestellt? Das waren doch nicht die Befürworter der Frauenordination! Ein gelebter Glaube fordert nicht dauernd die Liebe des anderen ein, sondern gibt sich selbst dem Nächsten hin! Diese Liebe „erträgt alles, hofft alles, glaubt alles, duldet alles“. Lesen Sie einmal 1. Kor. 13 und fragen Sie sich dabei vor Gott, was diese Liebe für Ihren eigenen Umgang mit den Befürwortern der Frauenordination bedeuten könnte, nicht nur umgekehrt.
Thomas Krüger, Münster
Hallo Herr Krüger,
was Sie sagen, ist richtig, Liebe muss immer auf beiden Seiten sein. Und in den vergangenen Jahren ist diese immer wieder den Befürwortern der FO entgegengebracht worden, indem man Ihnen viel Raum ließ, eine teure Studie in Auftrag gegeben hat und einiges mehr.
Nun aber ist ein regulärer Mehrheitsentscheid nicht anerkannt worden, und das ist weder demokratisch noch hat etwas mit Liebe zu tun. Wenn auf solche Entscheidungen dermaßen reagiert wird, dann braucht man demnächst nicht mehr abzustimmen. Und wir sind lutherisch: Allein die Schrift! Luther hat eindeutig Prioritäten gesetzt und nie um der Einheit der Kirche willen seine Überzeugungen hinten angestellt, und das möchte ich auch nicht, und verlange das auch nicht von den anderen – es geht nur um die Wahl der Mittel. Im Übrigen haben sich ja wohl alle Pastoren mal auf diese Bekenntnisse der SELK verpflichtet – und können da anscheinend nicht mehr zu stehen. Dann müsste man konsequenter- und fairerweise gehen anstatt zu versuchen, die Kirche auf den Kopf zu stellen. Ich in meinem Beruf hätte das tun müssen.
Und apropos Abendmahl: Da handelt es sich um eine Gewissensentscheidung, und es steht niemandem an, darüber zu richten. Vielleicht denken Sie mal darüber nach.
Liebe Frau Ezuika,
Ich freue mich, dass Sie anerkennen, dass wir diese Frage in gegenseitiger Liebe behandeln müssen! Dies ist leider nicht überall der Fall. Zwei Punkte in Ihrer Antwort scheinen mir sehr fragwürdig:
1. Die Frauenordination ist gar kein Bekenntnisgegenstand und der APK hat auch nicht darüber abgestimmt. Ein Antrag dazu lag vor und wurde nicht behandelt. Es wurde über eine lebbare Praxis abgestimmt. Diese Abstimmung nun als Entscheidung über den Bekenntnisgegenstand zu erheben ist nicht korrekt. Ein Pfarrer der sich für Frauenordination ausspricht, verleugnet somit auch nicht seine Verpflichtung auf das Bekenntnis!
2. Inwiefern ist das Abendmahl denn eine Gewissensentscheidung? Es ist ein Sakrament, das nach luth. Bekenntnis durch die Kraft des Wortes wirkt „…zur Vergebung der Sünden“. Das Abendmahl zu einer Gewissensentscheidung zu machen ist theologisch falsch und für unsere Glaubensgewissheit hochproblematisch (s. mein nachfolgender Kommentar zu Wolfgang Hörner).
Hallo Herr Krüger,
nein, über die FO ist auf dem letzten APK nicht abgestimmt worden. Aber bisher ist immer wieder seit Jahrzehnten mehrheitlich entschieden worden, dass in dieser Lehrfrage (das ist ja nun wohl hinreichend geklärt) die SELK bei der alleinigen Ordination von Männern bleibt. Natürlich ist auch das ein Bekenntnis! Nämlich zur Inspiration und Autorität der Heiligen Schrift. Ich habe meine Bibel mehrfach gelesen und finde darin ebenfalls keinerlei Gründe für FO. Und deshalb möchte ich an dieser Stelle die Diskussion stoppen. Ich habe schon genügend dergleichen geführt, und entweder man ist dafür oder dagegen. Ich habe noch nie erlebt, dass in diesem Punkt klar Entschiedene ihre Entscheidung revidiert hätten. Und sie „witterten“ ja bei mir Lieblosigkeit und dann haben wir jetzt erneut ein Missverständnis – ein Zeichen, dass man einfach nicht mehr unbelastet diskutieren kann.
Nur noch zum Abendmahl: Wir haben genaue Anweisung erhalten, wie wir nicht zum Abendmahl gehen sollen. Und wenn jemand Gewissensbisse hat, weil zwischen ihm und einem Bruder aktuell nicht zu Klärendes steht, finde ich es nur folgerichtig, dass man mit der Person nicht zum Abendmahl geht. Alles Gute!
Mein Kommentar wird gar nicht erst veröffentlicht? So sieht das also mit Freiheit und Vielfalt aus!
Da die 31 Pfarrer in ihrer Erklärung auch das Thema Heilsgewissheit ansprechen, möchte ich noch auf einen Vortrag des renommierten landeskirchlichen Theologen Reinhard Slenczka (1931–2022) gegen die Frauenordination hinweisen: https://www.gemeindenetzwerk.de/?p=19369
Er behandelt insbesondere die einschlägige Belegstelle 1. Korinther 14 gegen die FO. Dabei tangiert seine Auslegung des Verses 38 die Heilsgewissheit und auch die Frage, ob die FO kirchentrennend ist. Selbst wenn man sich unsicher ist, ob Prof. Slenczka mit seiner Exegese vom 1. Korinther 14,38 recht hatte, wäre m.E. aufgrund des möglichen Bezuges auf das Jüngste Gericht äußerste Vorsicht geboten.
Lieber Herr Hörner,
Ich danke Gott, dass Gottes Urteil am Jüngsten Tag eben nicht von meinem Gewissen oder der Person des Pfarrers abhängig ist, sondern allein vom Wort Gottes und von meinem Glauben an die Erlösung durch Jesus Christus! Ich verweise hier wie an anderer Stelle auch auf Rö. 8,38-39. Dies alles aus reiner Gnade. Würde ich mich auf mein Gewissen verlassen, wäre ich verloren!
Insofern hat Slenczka, was die Heilgewissheit und das Gewissen angeht, in der letzten Konsequenz Unrecht. Daran entscheidet sich unser Leben als Christen nicht! Diese Auslegung entspricht auch nicht der lutherischen Theologie. Luther hat ja die Wirksamkeit der Sakramente und der Verkündigung gerade nicht an einer persönlich dem Priester innewohnenden Weihegewalt oder sonstigen persönlichen Eigenschaft festgemacht, sondern ausschließlich an der Kraft des Wortes Gottes. Er bezieht sich dabei auch auf die augustinische Formel „Kommt das Wort zum Element, so wird daraus ein Sakrament“. Die Ordination ist in der luth. Kirche dagegen kein Sakrament im engeren Sinne.
Es ist tatsächlich äußerste Vorsicht geboten, dass wir den Grund unseres Glaubens nicht aus den Augen verlieren, sonst werden uns der Jüngste Tag und unser Gewissen immer wieder in Angst und Schrecken versetzen!
Thomas Krüger, Münster
Ich korrigiere: Mein Kommentar ist veröffentlicht!
Pingback: Fortsetzung: „Sehe ich meine Zukunft in der SELK?“ – Mitten aus der SELK
Man muss vielleicht noch einmal zurückrudern. Die 31 Unterzeichner, die vielen Gemeinden, die sich positiv zur Frauenordination geäußert haben und die vielen Gemeindeglieder, die eine Kirche in Freiheit, Vielfalt und Weite leben, haben nicht die generelle Einführung der Frauenordination gefordert, sondern aus Rücksicht auf diejenigen, die an dieser Stelle schwerwiegende theologische Bedenken haben, eine Regelung angestrebt, in der beide Positionen in unserer Kirche ihren Platz haben. Man sollte nicht diesen Menschen, die auch ihre Heimat in dieser Kirche sehen, Rücksichtslosigkeit unterstellen. Im Gegenteil – gerade sie nehmen Rücksicht.
Hermann Borchers
Sehr geehrter Herr Krüger,
in 1. Korinther 14 geht es nicht um die Wirksamkeit oder Gültigkeit der Sakramente. Prof. Slenczka schreibt zu Vers 38:
„Bei allen Argumenten, die es sonst noch gibt, ist mit Wort und Weisung des Herrn die höchste Stufe der Verbindlichkeit erreicht, und für den Apostel ergibt sich daraus: „Wer aber das nicht anerkennt, der wird nicht anerkannt“, wobei sowohl die kirchliche Gemeinschaft gemeint sein kann wie auch die Anerkennung oder Verwerfung im Endgericht durch Jesus Christus selbst.
Ob wir das wollen oder nicht, nach dem Wortlaut des Textes geht es hier um das, was im letzten Sinne heilsentscheidend ist. Demnach ist die Frauenordination nicht eine bloße Frage kirchlicher Ordnung oder geschichtlicher Sitte, sondern für den Apostel geht es hier um die Gemeinschaft der Kirchen und ihren Gehorsam gegenüber dem Wort des Herrn.“
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Hörner
Sehr geehrter Herr Hörner,
Ich stimme Ihnen zu, dieses Thema ist zu ernst und zu wichtig, als dass man dabei Unklarheit zulassen könnte. Daher möchte ich Ihnen auch noch einmal etwas ausführlicher antworten und hoffe, das sprengt nicht den Rahmen dieses Forums.
Sie haben Recht, in 1. Kor. 14 geht es nicht um die Wirksamkeit und Gültigkeit der Sakramente. Ich habe dazu nur Stellung bezogen, weil ja Prof. Slenczka in der von Ihnen geteilten Rede das Gewissen und die fehlende Glaubensgewissheit als zentrales Gegenargument zur Frauenordination betont hat und dieses Argument höre ich auch sonst in dieser Frage häufig. Dies ist aber aus den vorher genannten Gründen nicht haltbar und kann uns im Umgang mit den Sakramenten nicht leiten! Wir Lutheraner können diese Gewissheit haben, unabhängig von der Person des Pastors (oder der Pastorin) allein durch die Kraft des Wortes Gottes, das zum Element kommt, so wie es von Christus selbst eingesetzt ist. Wenn da mein Gewissen oder die segnende und austeilende Person mit ihren persönlichen Eigenschaften eine Rolle spielen sollte, kann ich ja nie sicher sein und werde immer Angst vor dem Jüngsten Gericht haben. Das war ja auch Luthers Not in seinen Jahren als junger Mönch. Er hat es aber überwunden mit seiner Rückbesinnung auf das Evangelium (allein durch Christus, allein aus Glauben, allein aus Gnade). Dies nur noch einmal zur Klarstellung meiner Reaktion auf die Rede von Slenczka gegen die Frauenordination während der entscheidenden Synode der Landeskirche. Er mag ein angesehener Theologe gewesen sein, aber mit dieser Begründung hat er aus lutherischer Sicht Unrecht!
Nun zu 1. Kor. 14: Hier geht es also nun um die Zungenrede und die prophetische Rede im Gottesdienst der frühchristlichen Gemeinde. Ich möchte Sie ermuntern einmal den Zeitgeist unseres luth. Gottesdienstes abzulegen und ganz unvoreingenommen zu lesen, was tatsächlich da steht und was Paulus seiner damaligen Gemeinde zu sagen hatte. Direkt davor in Kapitel 13 steht das Hohelied der Liebe, die alles erträgt und alles duldet und von der uns nach Rö. 8, 38-39 auch nichts und niemand trennen kann. Für meine Begriffe ist das eine der großartigsten und wunderbarsten Beschreibungen dessen, was der christliche Glaube bewirken kann! Danach sollen wir streben, betont Paulus nochmal in Vers 1 unseres Kapitels. Dann geht es ihm um die Gaben des Geistes, insbesondere um die Bedeutung und dem Verhältnis von Zungenrede und prophetischer Rede im Gottesdienst der damaligen Gemeide. Die prophetische Rede entspricht wohl eher unserer heutigen Predigt, so wie Paulus es beschreibt, Zungenrede dagegen praktizieren wir heute in unseren luth. Gottesdiensten so nicht mehr (Zwischenfrage: Wieso eigentlich, wenn es Paulus doch als Geistesgabe selbst praktiziert, ja am Ende sogar dazu auffordert sie nicht zu verbieten, und wir aus ausgewählten anderen Versen dieses Kapitels unmittelbar unsere Lehrentscheidungen ableiten?).
Weiter lesen wir dann in Vers 26, wie der Gottesdienst in den damaligen Gemeinden abläuft:
„Wie ist es nun, Brüder und S c h w e s t e r n? Wenn ihr zusammenkommt, so hat ein jeder (!) einen Psalm, er hat eine Lehre, er hat eine Offenbarung, er hat eine Zungenrede, er hat eine Auslegung. Lasst es alles geschehen zur Erbauung!“ Hier hört es sich so an, als hätte jeder etwas beizutragen, wenn die Christen zum Gottesdienst zusammenkamen, wohl gemerkt, alle Brüder und Schwestern (!) sind angesprochen, und das sollen sie auch weiter so geschehen lassen!
Der zentrale Punkt, um den es Paulus bei der Bewertung von Zungenrede und prophetischer Rede in Kapitel 14 geht, findet sich in Vers 23 und 24: Es geht um die Wirkung nach außen! Was würde jemand denken, der als Gast dazu kommt und am Gottesdienst teilnimmt? „Wenn ihr alle in Zungen redet und alle durcheinander, dann würde der doch denken, ihr habt ja einen an der Waffel“, um es mit heutigen Worten zu sagen. Und weiter unten (V. 31) noch deutlicher: „Ihr könnt alle (!) prophetisch reden, doch einer nach dem andern, damit alle lernen und alle ermahnt werden.“
Mit dieser Zielsetzung ruft er die frühchristliche Gemeinde mit ihren lebendigen Gottesdiensten zur Ordnung (er kannte ja unsere luth. Gottesdienste noch nicht!). Der Gottesdienst soll zur Erbauung dienen und verständlich sein, auch für jemanden der von außen dazu kommt!
Dies fasst er dann am Schluss nochmal mit aller Autorität zusammen (37-40):
„Wenn einer meint, er sei ein Prophet (=prophetischer Redner, Prediger) oder vom Geist erfüllt (=Zungenredner), der erkenne, dass es des Herrn Gebot ist, was ich euch schreibe. Wer aber das nicht erkennt, wird nicht erkannt. Darum, liebe Brüder, bemüht euch um die prophetische Rede und wehrt nicht der Zungenrede. Lasst aber alles ehrbar und ordentlich zugehen.“
Das ganze Kapitel 14 zum Verhalten im Gottesdienst mit dem Hauptkriterium der Verständlichkeit der Rede auchbfpr Außenstehende steht also unter dem Gebot des Herrn und soll von allen anerkannt werden. Dies ist nun der Vers, den Sie herausgegriffen haben und den Befürwortern der Frauenordination als Gewissensfrage und Androhung des Gerichts entgegenhalten.
Sie werden sich nun wundern, warum ich bisher sonst noch nichts zur Frauenordination geschrieben habe. Richtig, denn in dem Kapitel geht es ja auch gar nicht um Frauenordination, wie wir gesehen haben! Der Vers der dafür immer herangezogen wird steht im Kontext des zuvor Gesagten. Ja, offensichtlich waren (wie man in dem vorher Geschriebenen klar erkennen kann) im christlichen Gottesdienst auch Frauen dabei und haben sich geäußert mit Psalmen, Lehre, Offenbarungen, Zungenreden, Auslegungen, ganz im Gegensatz zu allen anderen Religionen im Umfeld der frühchristlichen Gemeinde, wo das verboten war und Frauen strikt vom Gottesdienst und der Männerwelt getrennt waren und keinen Zugang zu Bildung und öffentlichen Ämtern hatten. Die gleichberechtigte Teilnahme am Gottesdienst, wie Paulus sie vorher schildert, war an sich schon ungewöhnlich und auffällig für jemanden, der von außen dazu kam. Mit Blick auf die Außenwirkung und die Verständlichkeit, um die es Paulus ja hier im Kap. 14 offensichtlich geht, sollen Frauen auch nicht dazwischen rufen und unqualifizierte Zwischenfragen stellen, wenn sie etwas nicht verstehen (was ja durchaus in ihrer damalige Stellung begründet lag). Das war überall so üblich, deshalb übersetzt Luther auch „es steht ihr nicht gut an…“, eben damit nach außen alles ehrbar und ordentlich zugeht aus Sicht des damaligen Zeitgeistes.
Wie man hieraus ein Verbot der Frauenordination ableiten kann, wird mir immer vollkommen schleierhaft bleiben! Ob Frauen heute genug Bildung und Verständnis haben für ein leitendes Amt in der Kirche oder ob sie immer noch unqualifiziert dazwischenrufen, weil sie etwas nicht verstehen, wie zu Paulus Zeiten, und ob wir ihnen wegen dieser Bibelstelle tatsächlich wieder den Zeitgeist von vor 2000 Jahren aufzwingen müssen, mag nun jeder für sich selbst bewerten. Biblisch begründet ist es jedenfalls nicht, wenn man die Bibel beim Wort nimmt und im Gesamtkontext liest!
Sie werden diese Sicht wahrscheinlich als historisch-kritische Auslegung verwerfen, obwohl ich überzeugt bin, dass diese Sichtweise die Bibel ganz im Sinne der lutherischen Hermeneutik aus sich selbst heraus und von ihrer Mitte Christus her betrachtet und versteht, ganz ohne den Zeitgeist unserer aktuellen kirchlichen und gesellschaftlichen Ordnungen. Sola Scriptura!
Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Krüger
Lieber Herr Krüger,
ich freue mich sehr darüber, dass Sie sich um eine sachgemäße und kontextgerechte Auslegung von 1. Kor. 14 bemühen. Nur durch genaues Hören auf Gottes Wort und Bedenken der Apostellehre können wir bei strittigen theologischen Fragen weiterkommen. Allerdings kann ich Ihrer Auslegung nur teilweise zustimmen und komme daher nicht zu Ihrem Ergebnis. Ich versuche mal, das hier in möglichster Kürze zu begründen.
1. Kapitel 12 bis 14 handeln vom Gebrauch der Geistesgaben in der Christenheit. Im 12. Kapitel lehrt Paulus allgemein, dass die Vielfalt der Geistesgaben in der Einheit des Leibes Christi zur Geltung kommen soll. Im 13. Kapitel betont Paulus die Liebe als die eine übergeordnete Geistesgabe, ohne die die anderen nichts wert sind. Im 14. Kapitel geht es dann um den Einsatz von Geistesgaben im Gottesdienst, wobei es Paulus nicht nur auf die „Verständlichkeit“ als solche ankommt, sondern vor allem darauf, dass alles „zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung“ geschehe (Vers 3).
2. Von „Schwestern“ ist in Vers 26 nicht die Rede, weder im griechischen Urtext noch in Luthers ursprünglicher Übersetzung. Die „Schwestern“ sind (vermutlich aufgrund feministischer Erwägungen) erst in die revidierte Lutherbibel von 2017 hineingeraten. Dennoch ist es wohl in der Tat so, dass auch Frauen im korinthischen Gottesdienst irgendwie zu Wort kamen und dass der Gottesdienst damals in Korinth liturgisch etwas anders aussah als heute – vermutlich sehr viel ungeordneter. Von einer „gleichberechtigten Teilnahme“ von Männern und Frauen am Gottesdienst ist da allerdings nicht die Rede; diese Deutung entspricht nicht dem Kontext, sondern ist dem heutigen Zeitgeist geschuldet. Wenn Paulus am Schluss des Kapitels fordert, dass alles „ehrbar und ordentlich“ zugeht, dann meint er damit mehr als strukturierte Organisiertheit, nämlich das Respektieren göttlicher Ordnungen (vgl. Verse 33a und 40).
3. In diesem Zusammenhang steht nun das umstrittene Verbot von Vers 34. Genau genommen sind es drei Dinge, die da den Frauen (übrigens in allen christlichen Gemeinden, V. 33b!) geboten werden: erstens schweigen, zweitens nicht reden, drittens sich gemäß Gottes Gesetz unterordnen. Es besteht wohl Konsens darüber, dass weder damals noch heute das „Schweigen“ absolut gemeint sein kann, sonst dürften Frauen im Gottesdienst ja weder singen noch beten noch überhaupt einen Laut von sich geben. Im gesamtbiblischen Kontext sollte man das Schweigen der Frauen eher so verstehen, dass sie sich ohne Widerrede ehrfürchtig Gottes Ordnung unterstellen sollen (ähnlich das „Stillesein“ in Habakuk 2,20). Demzufolge und nach unserer übereinstimmenden Sicht des Kontextes wird das Zweite, „nicht reden“, auch keinen absoluten Verzicht auf mündliche Rede meinen. Das Dritte (sich gemäß Gottes Gesetz unterordnen) bezieht sich nach gesamtbiblischem Kontext auf die göttlich gebotene Unterordnung der Frau unter den Mann (vgl. 1. Mose 3,16b; Eph. 5,22; Kol. 3,18; 1. Petrus 3,1). Verständlich wird das Ganze erst dann, wenn man, wie es nach der griechischen Grammatik möglich ist, die drei Teile nicht im Sinne einer Aufzählung versteht, sondern „epexegetisch“, d. h. einander gegenseitig erklärend. Es kommt dann heraus: Eine Frau soll im Gottesdienst nicht in so einer Weise redend bzw. verkündigend tätig werden, dass sie sich dabei eine Lehrautorität über Männer anmaßt und so die gebotene Unterordnung unter den Mann missachtet; das soll sie in demütiger Gottesfurcht ohne Widerrede akzeptieren. Es ist bemerkenswert, dass dieselben drei Teile in der anderen wichtigen Belegstelle gegen die Fraueordination auftreten (1. Tim. 2,12): erstens nicht lehren, zweitens nicht über den Mann Herr sein, drittens still sein. Das „Lehren“ ist dort offenkundig im Sinne einer biblischen Bezeichnung des pastoralen Amtes zu verstehen, nämlich „als Hirte und Lehrer wirken“. Im weiteren Verlauf dieser Stelle verweist Paulus begründend auf Adam und Eva und zeigt damit an, dass es sich bei der gebotenen Unterordnung um eine grundlegende göttliche Ordnung für alle Zeiten handelt.
Lieber Herr Krüger, ich hoffe, dass Ihnen nun nicht mehr „schleierhaft“ ist, wie man (unter anderem) von einer sachgemäßen Auslegung von 1. Korinther 14 ein Verbot der Frauenordination ableiten kann.
Freundlich grüßt
Matthias Krieser
Ich finde die Antwort von Pfarrer Matthias Krieser auf den Kommentar von Herrn Krüger sehr einleuchtend und kann mich ihr anschließen. Mich hatte auch seine Stellungnahme zum Atlas Frauenordination sehr überzeugt: http://www.themenkasten.de/Atlas.pdf
Zum Aspekt der Heilsgewissheit möchte ich noch ergänzen, dass wir als Lutheraner natürlich glauben, dass wir allein aus Gnaden und allein durch den Glauben gerettet werden, wir also uns auch nicht teilweise das Heil verdienen können. Allerdings können wir durch mutwilligen und beharrlichen Ungehorsam gegen Gottes Wort den Glauben verlieren, womit eine Heilsgewissheit in diesem Fall ihre Berechtigung verlieren kann. Vgl. dazu z.B. Hebräer 3,12-19; 10,26-29 oder auch Artikel III, Ziffer 42-44 der Schmalkaldischen Artikel Luthers (https://thebookofconcord.org/deutsch/die-schmalkaldischen-artikel/). Im Übrigen sind Glauben an und Gehorsam gegenüber Gottes Wort eng miteinander verbunden, manchmal wird das auch in der Übersetzung „Glaubensgehorsam“ oder „Gehorsam des Glaubens“ deutlich: vgl. z.B. Johannes 3,36; Römer 1,5; 10,16; 16,26; 2. Korinther 10,5; Apostelgeschichte 6,7; Hebräer 11,8. Paulus schreibt in 1. Korinther 14,37 explizit von einem „Gebot des Herrn“ und schließt daran in Vers 38 an: „Wer aber das nicht anerkennt, der wird auch nicht anerkannt“ (Luther 1984). Dazu schreibt Slenczka noch: „Ob wir das wollen oder nicht, nach dem Wortlaut des Textes geht es hier um das, was im letzten Sinne heilsentscheidend ist.“
Lieber Herr Krieser,
Danke, dass Sie mir den Versuch einer sachgemäßen und kontextgerechten Auslegung bescheinigen. Wenn wir den Grundsätzen der luth. Hermeneutik folgen, haben wir eine gute gemeinsame Basis um die Bibel zu lesen und zu verstehen!
1. Was die Übersetzung der Anrede des Paulus mit „Brüder“ angeht, muss ich Ihnen leider widersprechen. Im griechischen Urtext steht dort der Plural „adelphoi“. Wenn wir verstehen wollen, wen Paulus damit anspricht, müssen wir wiederum auf den Kontext schauen, in dem dieses Wort benutzt wird. Da ist zunächst festzustellen, dass das Singular dazu für Frauen und für Männer den gleichen Wortstamm hat. Paulus spricht in 1. Kor. 7,15 den Glaubensbruder mit „adelphos“ und die Glaubensschwester mit „adelphee“ an. Im Plural „adelphoi“ können es grammatikalisch nur Männer, nur Frauen oder beides gemischt sein. Um nun festzustellen, wen Paulus mit dem Plural nun wirklich anspricht, hilft uns seine Begrüßung zu Beginn des Briefes weiter (Kap. 1,2): „…an die Gemeide in Korinth, an die Geheiligten in Christus Jesus, die berufenen Heiligen samt allen, die den Namen unseres Herrn anrufen an jedem Ort, bei ihnen und bei uns…“. Wenn er diese universale Adressaten dann im Weiteren als „adelphoi“ anspricht, kann es doch nur der gemischte Plural zu „adelphos“ (Glaubensbruder) und „adelphee“ (Glaubensschwester) sein und nicht nur die Männer. In der Apostelgeschichte wird deshalb, wo nur Männer im Plural angespochen sind (z.B. für die Ansprache des Hohen Rates, der wohl zeitgemäß nur mit Männern besetzt war) sogar noch „andros adelphoi“ (also „männliche“ adelphoi) hinzugefügt. Somit ist die Übersetzung von 2017 vor diesem Hintergrund eine angemessene Übersetzung (noch treffender wäre vielleicht „Geschwister“) und ist keineswegs aus feministischen Gründen willkürlich „hineingeraten“. Nach einer sorgfältigen lexikalischen Analyse der Quellen des Urtextes und des Zusammenhangs könnte man sogar eher zu dem Schluss kommen, dass die Übersetzung lediglich mit „Brüder“ aus einem patriarchalischen Zeitgeist heraus erfolgt.
2. Wahrscheinlich meinen wir das gleiche mit Verständlichkeit der Rede zur Erbauung für alle. Die Anweisungen, die Paulus hier gibt, beziehen sich aber ganz klar auf die organisatorische Ordnung des Gottesdienstes und Verständlichkeit (verständliche Sprache, Zungenrede nur mit Auslegung, einer nach dem anderen), natürlich mit dem Ziel der Erbauung, Ermahnung und Tröstung für alle. Er sagt ja, Zungenrede auch erbaut, aber nur den Redner selbst. Damit also der Gottesdienst seine Wirkung erzielt, muss er natürlich für alle verständlich sei und organisatorisch geordnet ablaufen.
3. Mit dem Verweis auf die Schöpfungsordnung legen Sie hier nun ein komplexes theologisches Konstrukt in den Text hinein, das differenziert zu betrachten ist. Es wurden von luth. Theologen auch schon andere sehr problematische „natürliche Ordnungen“ mit der Schöpfungsordnung begründet (Stichwort Althaus/Elert und Ansbacher Ratschlag). Ganz davon abgesehen ist die Unterordnung der Frau unter den Mann Kennzeichen und Strafe für die gefallene Schöpfung nach dem Sündenfall (Gen. 3,16), welche ja gerade in der neuen Schöpfung durch den Tod und die Auferstehung unseres Herrn überwunden sind (Gal. 3,28). Diese Frage wäre aber tatsächlich eher Gegenstand eines tiefergehenden Seminars zur Heilsgeschichte Gottes und zum Verhältnis von alter und neuer Schöpfung. Vielleicht ein nächster Workshop im Anschluss an den Workshop von Bettina Otto?
Und an Herrn Hörner: Im letzten Sinne heilsentscheidend ist die Frage der Frauenordination Gott sei Dank nicht. Das geben unsere altkirchlichen Glaubensbekenntnisse und das Evangelium von der Erlösung durch Jesus Christus nun wirklich nicht her.
Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Krüger
Lieber Herr Krüger,
Gott ist grundsätzlich ein Gott der Ordnung, nicht der Unordnung. (Interessanterweise bedeutet „Kosmos“ nicht nur Weltall, sondern auch Ordnung sowie Schönheit!) Dieses Merkmal gehört untrennbar zu seinem Wesen wie die Liebe. Gottes Liebe ohne Gottes Ordnungen sind für uns Christen also undenkbar.
Diese gute Ordnung macht sich bereits vor dem Sündenfall, im Paradiesgarten bemerkbar: Alle Lebewesen wurden in perfekter Zuordnung zueinander geschaffen. Die ersten Menschen bilden hier keine Ausnahme: Zuerst wurde Adam von Gott geschaffen, als ebenbildliches liebens-wertes Gegenüber Gottes. Dann wurde Eva aus Adams Fleisch geschaffen um Adams willen, um seine Ein-samkeit zu beenden (siehe zweiter Schöpfungsbericht). Die (Zu-)Ordnung ist hier bereits sichtbar: Adam an erster, Eva an zweiter Stelle. Die Erschaffung der beiden hätte auch in umgekehrter Reihenfolge oder gleichzeitig erfolgen können, aber Gott wollte es anders.
Ein weiteres Merkmal der Zu-Ordnung Evas auf Adam wird dann tatsächlich erst mit dem Sündenfall sichtbar: Eva prescht vor und verstößt gegen Gottes klares Gebot – und Adam wird dafür als Erster von Gott zur Rechenschaft gezogen: Es wäre seine Aufgabe gewesen, über die Einhaltung von Gottes klarem Gebot zu wachen und Eva an der Sünde zu hindern. Der Erste trägt nach Gottes Bestimmung auch die Haupt-Verantwortung! Stattdessen aß er selbst von der verbotenen Frucht und sündigte damit in Gottes Augen gleich doppelt.
Vor dem Sündenfall wurde die Zu-Ordnung der Frau auf den Mann, umhüllt von der Liebe Gottes, in ihrer makellosen Form sichtbar. Nach dem Sündenfall zeigen sich bis heute die hässlichen Gesichter von falsch verstandenen Machtansprüchen und mangelnder hingebungsvoller, demütiger Liebe sowohl beim Mann als auch bei der Frau. Aber – wie gesagt – die Zu-Ordnung der Frau auf den Mann hin gab es schon im Paradies.
Auch im Himmel gibt es eine Ordnung, wie uns die Offenbarung wissen lässt: Die Ältesten und die Märtyrer haben ihren Platz, es gibt bestimmte Plätze zur Rechten und Linken Gottes, die Engel fügen sich der Ordnung Gottes und mit ihnen alles erlösten Seelen. Jedoch leidet dort niemand unter dieser Ordnung, weil niemand seine Macht missbraucht und es niemandem an Liebe mangelt: Auch wenn die himmlische Ordnung unterschiedliche Plätze zuweist, so gilt doch die gleiche Seligkeit für alle!
Die These, dass in der christlichen Gemeinde Gottes gute Ordnungen getrost aufgehoben werden können, um damit paradiesische Zustände zu wiederholen bzw. zu antizipieren, lässt sich also im Licht von Gottes Wort nicht halten.
Lieber Herr Krüger!
Grammatisch kann „adelphoi“ eindeutig nur mit „Brüder“ übersetzt werden, für „Schwestern“ müsste da „adelphai“ stehen. Man kann natürlich erwägen, ob hier inhaltlich nicht auch die „Schwestern“ mitgemeint sind, aber das ist eine Auslegungsfrage. Eine Übersetzung mit „Brüder und Schwestern“ entspricht jedenfalls nicht genau dem griechischen Wortlaut und auch nicht der ursprünglichen Lutherübersetzung. Wie dem auch sei: Auf keinen Fall kann man hier die „Schwestern“ als betont mitangeredet herausheben und davon eine gleichberechtigte Teilnahme von Männern und Frauen im Gottesdienst ableiten, wie Sie es tun. Und dann: Paulus geht es hier nicht nur, und wahrscheinlich auch nicht in erster Linie, um das Beheben organisatorischer Missstände im korinthischen Gottesdienst, sondern im Kontext der Kapitel 12 bis 14 grundsätzlich um den rechten Gebrauch von Geistesgaben. Seine Vorstellung von Ordnung geht dabei ausdrücklich vom „Gott der Ordnung“ aus (Vers 33a), und er setzt am Ende des Kapitels das Wort „ordentlich“ gleich mit „ehrbar“ (im Sinne von „anständig“, „untadelig“). Insofern liegt es doch nahe zu überlegen, was für eine Ordnung bei der genannten „Unterordnung“ der Frau vorauszusetzen ist. Bemerkenswert ist auch, dass Paulus diese Art von Unterordnung nicht nur angesichts eines korinthischen Missstands (der eigentlich gar nicht direkt angesprochen wird) fordert, sondern für alle Gemeinden voraussetzt (Vers 33b). Die von Ihnen angeführte skeptische Haltung zur Schöpfungsordnung ist mir bekannt, ich teile sie aber nicht. Ich meine auch nicht, dass das nach dem Sündenfall verordnete Herrsein des Mannes über die Frau (1. Mose 3,16) an die Stelle einer vorherigen Gleichstellung getreten ist. Dagegen spricht 1. Mose 2,18 und die Tatsache, dass auch das Kindergebären nicht erst nach dem Sündenfalll über die Frau gekommen ist, sondern lediglich die Schmerzen dabei. Aber selbst wenn es so wäre, dass die Unterordnung unter den Mann erst nach dem Sündenfall geboten wurde, gilt sie doch weiterhin auch für Christinnen, denn sie wurde ja von den Aposteln mehrfach ausdrücklich bestätigt und angemahnt. Kurz: Ich kann nicht erkennen, was an meiner Auslegung feherhaft oder nicht nachvollziehbar sein sollte.
Mit einem freundlichen Gruß
Matthias Krieser
Lieber Herr Krüger,
man könnte aus 1. Kor 7,15 ebenso gut den Schluss ziehen, dass der Apostel, will er Männer UND Frauen gezielt adressieren, diese auch benennt (adelphos, adelphee). Übersetzt man allerdings „adelphoi“ automatisch inklusiv mit ‚Brüder und Schwestern‘, entgehen einem mitunter wichtige Nuancen. Das gilt, wie z.B. Mk 3,32 zeigt, gerade auch für den Plural: „Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir.“ Hier steht im Griechischen ausdrücklich „adelphoi“ und „adelphai“. Damit ist nicht gesagt, dass „adelphoi“ nicht an anderer Stelle tatsächlich manchmal auch im Sinne von „Geschwister“ zu verstehen ist. Es deshalb aber kategorisch mit ‚Brüder und Schwestern‘ zu übersetzen, verdunkelt so manchen Text. In 1. Kor 14,26 ist das ziemlich sicher so.
Viele Grüße
Tim-Christian Hebold
Zur Frage, ob Frauen ordiniert werden dürfen, möchte ich noch auf den Kleinen Katechismus hinweisen, welcher zu den für die Lutherische Kirche verbindlichen Bekenntnissen zählt. Vor jedem Hauptstück spricht Luther die Hausväter an, dass er diese den Seinen einfältig vorhalten soll (siehe z.B. https://www.ekir.de/inhalt/kleiner-katechismus/). Luther setzt also den Familienvater als geistlichen Leiter der Familien voraus, der die geistliche Verantwortung in dienender Rolle für seine Familie wahrnehmen soll. Diese Anweisung an die Hausväter ist in vielen heutigen Ausgaben des Kleinen Katechismus nicht (mehr) enthalten. Biblisch lässt sich dies aus der Häupterstruktur (1. Korinther 11,3; Epheser 5,23) ableiten. In der Haustafel wird dann unter „Den Bischöfen, Pfarrherrn und Predigern“ die biblischen Voraussetzungen für das kirchliche Amt in 1. Timotheus 3 und Titus 1 genannt. Dort wird explizit vorausgesetzt, dass es sich um einen Mann und nicht eine Frau handeln soll. Dieser Mann soll seinem Haus wohl vorstehen, d.h. sich als geistlicher Leiter seiner Familie bewährt haben. Das was die Bibel zur Ehe sagt hat durchaus Relevanz für die Kirche, weil das Verhältnis von Christus und der Gemeinde mit einer Ehe verglichen wird (vgl. Eph. 5,21ff und insbesondere Vers 32). Dabei repräsentiert der Pfarrer als Mann das Haupt Christus. Ebenso wie Christus und die Gemeinde verschieden und nicht wechselseitig austauschbar sind, so sind es nicht Mann und Frau. Obwohl Christus nicht weniger wert ist als sein Vater, ordnet er sich ihm unter (1. Korinther 11,3). Analog soll es nach der Bibel bei Frau und Mann in der Ehe sein.
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Sehr geehrte Herren Pastoren Krieser und Hebold,
Danke zunächst einmal für die Auffrischung meiner griechischer Grammatikkenntnisse! Dies ändert aber nichts an der „inklusiven“ Übersetzung von adelphoi als Brüder und Schwestern, da Paulus ja wie gesagt in der Anrede des Briefes 1. Kor. 1,2 seine Adressaten (die ganze Gemeinde und alle die Christus anrufen) selbst benennt, die er im weiteren dann auch in Ihren gottesdienstlichen Tätigkeiten (Zungenreden und prophetisches Reden / Predigen) durchgehend mit adelphoi anspricht. Dieser inklusive Gebrauch des Plural Maskulinum für gemischte Gruppen ist wie im Deutschen auch im Griechischen üblich und belegt.
Eine eindeutige Belegstelle dafür ist ja gerade Mk. 3, 31-36 (danke, Herr Hebold für diesen Hinweis!). Dort werden mehrfach Männer (adelphoi) und Frauen (adelphai) gemeinsam inklusiv als Geschwister (adelphoi) zusammengefasst. Jesus selbst sagt (V. 33): Wer sind meine Mutter und meine adelphoi (Geschwister)? Dann schaut er in die Runde der Anwesenden und sagt (V. 34): Dies hier sind meine adelphoi (Geschwister) und erläutert im nächsten Satz, dass damit die um ihn sitzenden Brüder (adelphoi) und Schwestern (adelphai) gemeint sind, die er vorher zusammenfassend als Geschwister adelphoi bezeichnet hat! Damit ist doch belegt, dass adelphoi zunächst inklusiv als Geschwister zu verstehen ist, und dann auch exklusiv als Männer (wenn die Schwestern explizit gesondert erwähnt werden). Genau das gleiche Muster (Geschwister adelphoi = Brüder adelphoi und Schwestern adelphai) gibt es auch vorher in V. 31,32. Man kann also 1. Kor. 14 nur missverstehen wenn man adelphoi konsequent und ausschließlich mit Brüder (anstatt Geschwister) übersetzt und darunter auch exklusiv nur männliche Ansprechpartner versteht, vor allem wegen dem Kontext aus 1. Kor. 1,2.
Kleiner Schwenk in den heutigen deutschen Sprachgebrauch, wo es ja das gleiche „Problem“ gibt: Die Gegner des Genderns im Sprachgebrauch führen als Gegenargument immer an, dass ja der männliche Genus auch inklusiv gemeint ist und es daher keine Genderformen braucht. Wenn ich nun allerdings sehe, wie vehement Sie hier für die Übersetzung des nachweislich inklusiv gebrauchten adelphoi als männliche „Brüder“ anstatt „Geschwister“ eintreten, wird doch sehr deutlich, wie diskriminierend Sprache und auch Übersetzungen der Bibel gebraucht werden können. Vor diesem Hintergrund finde ich die Übersetzung von 2017 weiterhin sehr angemessen und auch korrekt, was den Kontext und den Sprachgebrauch der Vokabel adelphoi angeht.
Mit diesem Kommentar beende ich dann aber auch meine Reaktionen auf die Kommentare dieses Beitrags. Auch wenn Sie Herr Krieser sicherlich noch einmal antworten um das letzte Wort zu behalten.
Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Krüger
Lieber Herr Krüger,
ich weiß ja, dass Sie beim Thema Ordination recht freigebig unterwegs sind, aber ein Pastor bin ich ebenso wenig wie Junia, Prisca oder die Töchter des Philippus. 😉
Eine inhaltliche Replik zu Ihren Ausführungen zu Mk 3 erspare ich mir dann an dieser Stelle ebenfalls.
Viele Grüße
Tim-Christian Hebold
Sehr geehrter Herr Krüger,
Sie haben in Ihrer Entgegnung vom 29. Juli 2025 auf Krieser für mich überzeugend dargelegt, dass eine Ordination von Frauen in der SELK nach Ihrem Verständnis der Schrift nicht ausgeschlossen werden muss. Ich danke Ihnen für diese klare Positionierung!
Nun bin ich weder Theologe noch des Griechischen mächtig, doch als Jurist war ich zeit meines Berufslebens mit der Auslegung von Texten befasst. Vor meinem Übertritt zur SELK habe ich als Katholik die Erörterung der Frage der Zulassung von Frauen zum Weiheamt interessiert verfolgt.
Medard Kehl, ein Jugendfreund, der Jahrzehnte an der Jesuitenhochschule St. Georgen in Frankfurt am Main lehrte, stellt diese Frage in seinem Werk „Die Kirche. Eine katholische Ekklesiologie“ (Echter Verlag Würzburg 1992) in einen weiten theologisch-kirchengeschichtlichen Zusammenhang:
Im einleitenden Kapitel „Spiritualität und systematische Ekklesiologie“ führt er im Abschnitt „Die symbolisch personifizierte Kirche“ aus:
“ In der Theologie der Kirchenväter, aber auch in der hochmittelalterlichen Mystik war die Kirche nicht so sehr Gegenstand theologischer Reflexion, sondern vor allem der geistlichen Meditation. Mit Hilfe der typologischen und allegorischen Schriftauslegung wurden dabei sehr viele alttestamentliche und neutestamentliche Bildworte auf die Kirche und ihr Verhältnis zu Jesus Christus bezogen (z.B. das Bild vom Weinberg oder Weinstock, vom Schafstall, von der Stadt auf dem Berg, von der Arche ….). Als Hauptsymbole dieser Meditation über die Kirche sind schon sehr früh neben dem eucharistisch gedeuteten Leib-Christi-Begriff jene personalen Bezeichnungen in den Vordergrund getreten, die die Kirche, die „ecclesia“, in irgendeiner Weise als Person, konkreter: als „Frau“ verstehen, die in einer personalen Beziehung zu Jesus Christus als ihrem männlichen Gegenüber steht. …
Bei allem mythischen Reichtum dieses Kirchenbilds kann doch die Gefahr nicht geleugnet werden, daß hier leicht die konkret erfahrbare Realität der Kirche spirituell übergangen und zugunsten ihres „Mysteriums“, das alles andere überstrahlt, als zweitrangig abgewertet wird. Das kritische Einfordern von Veränderungen überholter kirchlicher Strukturen und Verhaltensweisen wird von solcher Spiritualität gern als äußerlich, unwesentlich und „unfromm“ abgetan. …
Daß eine solche Spiritualisierung auch ausgesprochen konfliktträchtig ist, zeigt sich besonders dann, wenn diese Symbolsprache nicht bloß von der Realität der Kirche „abgehoben“ wird, sondern umgekehrt methodisch unvermittelt, d.h. ohne ausreichende Berücksichtigung des geschichtlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Hintergrundes dieser Symbole in die kirchlich-strukturelle Wirklichkeit übersetzt und von daher z.B. die Unmöglichkeit begründet wird, daß Frauen geweihte Amtsträger sein können. Hier wird deutlich, wie sehr das traditionelle Verständnis der Beziehung von Gott und Menschheit, von Christus und Kirche, von Mann und Frau noch immer im Rahmen eines nicht zum normativen Bestand der Offenbarung gehörenden androzentrischen Weltbilds stehenbleibt …“ (aaO S. 24f, 28)
Im 1., dem erneuerten Kirchenverständnis des 2.Vatikanischen Konzils gewidmeten Teil befasst sich Kehl u.a. mit der Kirche in ihrer strukturellen Spannung von gemeinsamem und besonderem Priestertum:
„Im Kapitel über die pneumatologische Dimension der Kirche sahen wir, daß die Einheit der Kirche vom Hl. Geist gewirkt wird, der in Christus und – von ihm her – in allen Glaubenden und Getauften der gleiche ist, eben die Kraft der einenden Liebe Gottes. Dieser Geist formt die Kirche zu einer Gemeinschaft, in der alle – als Schwestern und Brüder Jesu Christi – grundsätzlich in gleicher „Würde“ und auf gleicher „Stufe“ vor Gott und untereinander stehen und alle gemeinsam an der königlichen, prophetischen und priesterlichen Sendung Jesu Christi teilhaben…
Diese geistgewirkte Gleichrangigkeit aller im Glauben bildet das Fundament jeder kirchlichen Lebensordnung und Struktur. Das 2. Vatikanische Konzil … gibt … keineswegs einfach einem demokratisch geprägten Zeitgeist nach, sondern greift auf die eigenen biblischen Quellen des Selbstverständnisses der Kirche zurück und läßt sie für unsere Zeit wieder freier sprudeln. … geht das „gemeinsame Volk-Gottes-Sein allen Unterscheidungen der Ämter, Charismen und Dienste voran“. Oder in den Worten des Konzils: „Wenn auch einige nach Gottes Willen als Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten auf die anderen bestellt sind, so waltet doch unter allen eine wahre Gleichheit (vera aequalitas) in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi (LG 32)“ … (aaO S. 106f)
Im 2. Teil über die Wahrnehmung des empirischen Phänomens Kirche beschreibt Kehl strukturell bedingte Konflikte und geht dabei auf Frauen und Männer in der Kirche ein:
„Frauen … fühlen sich weiterhin wegen ihres Geschlechts in der Kirche strukturell benachteiligt, ja sogar diskriminiert; sie empfinden die katholische Kirche sowohl in ihrer Gebets- und Verkündigungssprache als auch in der Form der Liturgie und in den Strukturen der Leitung nicht nur als einseitige „Kleriker-Kirche“, sondern darüberhinaus als eine „Männer-Kirche“, in der das „Laie“- Sein der Frauen faktisch noch einmal auf einer niedrigeren Stufe angesiedelt werde.
Wie immer man zu diesem Vorwurf stehen mag, es läßt sich jedenfalls nicht leugnen, daß die Sensibilität unter Frauen und Männern gegenüber bestimmten geschlechtsbedingten Sprachmustern und Rollenzuteilungen, an denen die katholische Kirche festhält, erheblich gewachsen ist und zu immer größeren Spannungen in der Kirche führt. Dies ist durchaus verständlich: Auf der einen Seite hat die Kirche seit dem 2. Vatikanischen Konzil … grundsätzlich ihren Frieden mit der modernen und gesellschaftlichen Entwicklung, mit den neuzeitlichen Demokratien und ihrem Freiheitsbewußtsein geschlossen; sie hat sich ausdrücklich zum Anwalt der Gleichberechtigung von Mann und Frau gemacht. Auf der anderen Seite aber werden in ihrem eigenen strukturellen Gefüge große Rollenunterschiede gemacht, die allein auf dem Unterschied der Geschlechter beruhen. Die dafür genannten theologischen Argumente verlieren immer mehr an Überzeugungskraft und geraten zunehmend unter Ideologieverdacht, je breiter der Graben zwischen der (auch von der Kirche unterstützten) rechtlichen Stellung der Frau in einer modernen Gesellschaft und ihren kirchenrechtlich eingeschränkten Möglichkeiten in der Kirche wird.
Allerdings läßt sich das Problem „Frau und Mann in der Kirche“ nicht auf die Frage nach der Zulassung der Frauen zum kirchlichen Amt reduzieren. Das darin angelegte Konfliktpotential reicht viel tiefer. …
Die kirchliche Verkündigungssprache ist historisch im Kontext des patriarchalisch strukturierten Israel entstanden und wurde in ihrer ganzen abendländischen Tradition durch ein jahrtausendealtes „androzentrisches“ (d.h. vom Mann als dem „Wahren Menschen“ her entworfenes) Welt- und Menschenbild bestimmt. So ist es nicht verwunderlich, daß ihr Sprechen von Gott noch immer fast ausschließlich männlich akzentuierte Analogien verwendet: Vater, Allmächtiger, Schöpfer des Himmels und der Erde, Herr, Herrscher, Herr-lichkeit Richter, König u.ä. In vielen dieser Prädikate spiegelt sich die traditionelle, aktiv-beherrschende Rolle des Mannes wider, die in Gott bzw. Christus ihr legitimierendes Urbild sieht. Dagegen sollen die eher passiven, von Männern und ihrer philosophisch-theologischen Perspektive her als typisch weiblich definierten (und von den Frauen lange internalisierten) Rollenerwartungen des Empfangens, des Gehorchens, des Dienens das weltliche Gegenüber zu Gott darstellen, also die gestaltende „Materia“, die „Creaturpa“, die „Ecclesia“.
Natürlich besteht zwischen Gott und Welt die Beziehung des Gebens und Empfangens, des Berufens und Gehorchens; dennoch gerät heute eine Metaphysik der Geschlechter ins Wanken, die dieses Gott-Welt-Verhältnis undialektisch auf das Mann-Frau-Verhältnis überträgt und damit die (gerade auch von der Sündenfallgeschichte, zumal Gen 3,16 mitbestimmte) Rollenzuteilung der Über- und Unterordnung von Mann und Frau religiös überhöht und festschreibt. Darin spricht sich keineswegs der ewige Wille des Schöpfers aus, sondern der aus der Sünde stammende, als ihre vom Schöpfer gesetzte immanente Konsequenz hervortretende Herrschaftsanspruch einer patriarchalischen Gesellschaft. Empfangen, Gehorchen und Dienen als Grundhaltungen des weiblichen und männlichen Geschöpfes dem Schöpfer gegenüber bleiben durchaus unverrückbar in Geltung; aber ihre innergesellschaftliche Abbildung und Aufteilung in den Rollen von Mann und Frau gehören keineswegs zum unaufgebbaren Bestand der jüdisch-christlichen Offenbarung, sondern zu ihrer wandelbaren geschichtlichen Gestalt. Seit Christus gilt eben als Grundnorm des Verhältnisses zwischen Frau und Mann: „Einer ordne sich dem anderen unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ (Eph 5,21).
Von daher ist es für die Kirche und ihren Glauben ein echter Gewinn, wenn heute Frauen immer energischer das noch weithin geltende philosophisch-theologische „Sprachmonopol“ der Männer in der Kirche aufbrechen, um als freie, eigenständige Subjekte im Glauben ihre Glaubenserfahrungen mit Gott auch in den öffentlichen Sprachgebrauch der Kirche miteinzubringen. Dadurch werden die bisher gebräuchlichen, von Jesus selbst bestätigten und zum bleibend gültigen Sprachschatz der Kirche gehörenden Bezeichnungen Gottes keineswegs außer Kraft gesetzt; nur die einseitige Beschränkung auf sie wird aufgehoben. Wenn Frau und Mann gleichermaßen als Ebenbild Gottes geschaffen sind (Gen 1,27) dann repräsentieren eben beide Gottes Wirklichkeit. … (aaO S. 221ff)
Im 4. Teil seines Werks, der systematischen Aktualisierung, befasst sich Kehl u.a. mit Gemeinde und Amt und setzt sich mit den gängigen Argumentationsmustern zur Frage des Priesteramtes für Männer und Frauen auseinander (für die katholische Kirche spezifische Darlegungen seien hier ausgeklammert):
„Insofern sich die traditionelle Praxis der Kirche in der Frage der Frauenordination als Treue zur Praxis Jesu Christi und der apostolischen Urgemeinde versteht, hält sie diese Praxis für normativ. Genau deswegen sieht sie sich jedenfalls zum augenblicklichen Zeitpunkt nicht in der Lage, ihre Praxis zu ändern. Das braucht aber keineswegs eine definitive, jede zukünftige Änderung ausschließende Entscheidung zu sein. Denn es ist ja durchaus möglich, daß der weitergehende Prozeß der „richtigen Unterscheidung zwischen wandelbaren und unwandelbaren Elementen“ der Tradition … einmal zu dem Ergebnis führt, daß die Kirche ihrem Herrn auch und gerade dann in einem tieferen, seine Grundintentionen und sein Geheimnis besser wahrenden Sinn die Treue hält, wenn sie ihre bisherige Praxis ändert. …
Vielmehr weisen gerade auch theologische Gründe immer deutlicher in die Richtung einer Änderung der kirchlichen Praxis bei gleichzeitiger Treue zu ihrem Herrn.So herrscht unter Exegeten und Systematiken weitgehend Übereinstimmung darüber, daß die Berufung der Apostel durch Jesus nichts mit der Frage von Mann und Frau, sondern ganz entscheidend mit seiner Absicht zu tun hat, das gesamte Zwölf-Stämme-Volk Israel wieder zu sammeln und für das endgültige Ankommen des Reiches Gottes zu bereiten …
Unsere Argumentation wird noch zusätzlich dadurch gestützt, daß sich auch die Schriften des Neuen Testaments bei der Zurückweisung der Frauen vom öffentlich-amtlichen Lehren in der Gemeinde nie auf diese Zeichenhandlung Jesu oder auf eine spezielle Weisung von ihm berufen. Darin lag also nicht der Grund, warum keine öffentliche Einsetzung von Frauen zum Dienst der Gemeindeleitung in urkirchlicher Zeit überliefert ist. An den einschlägigen Stellen wird entweder mit dem allgemeinen Brauch innerhalb der Gemeinden und mit dem jüdischen Gesetz argumentiert (so 1 Kor 14,34f); oder es wird eine Exegese des zweiten Schöpfungsberichtes der Genesis herangezogen (so 1 Tim 2,12ff), der einer damaligen jüdischen Auslegungstradition entspricht (vgl. Sir 25,24), aber keineswegs für unser christliches Verständnis der Schöpfung von Mann und Frau maßgeblich sein muß.
Durch Christus bekommen wir einen völlig anderen, die kulturellen und gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten relativierenden Maßstab für das Verständnis der alten jahwistischen Schöpfungs- und Sündenfalltradition (Gen 2,4 – 3,24): „Ihr seid alle durch den Glauben Söhne (= Kinder) Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid „einer“ in Christus Jesus. Wenn ihr aber zu Christus gehört, dann seid ihr Abrahams Nachkommen, Erben kraft der Verheißung “ Gal 3,26ff. Diese in der Taufe geschenkte und für das kirchliche Zusammenleben grundlegende Einheit aller Glaubenden in Christus (vgl. auch Mt 12,48ff; Joh 1,13) hebt nicht die Differenzen, wohl aber jede angeblich „gottgewollte“ Überlegenheit eines Volkes, einer Rasse, eines Standes oder eines Geschlechtes auf.“ (aaO S. 454ff)
Ich hoffe, sehr geehrter Herr Krüger, dass ich Ihre Geduld durch die Länge meiner Zitate nicht überstrapaziert habe, aber ich bin überzeugt, dass das zitierte Werk die auch in der SELK schon länger geführte Diskussion über die Frauenordination in einen weiteren theologisch-kirchengeschichtlichen Zusammenhang stellt und auch Ihre Argumentation zu stützen vermag.
In glaubensfroher Verbundenheit
Arnulf Hülsmann